Es war im April 2022, als Jesus plötzlich im Ruhrgebiet Linienbus fuhr, sich an einer Imbissbude mit Brot für sein Abendmahl eindeckte und schließlich von humorlosen deutschen Polizisten verhaftet wurde.
"Die Passion", ein von RTL inszeniertes, äußerst interessantes Konglomerat aus Bibel-Szenen, deutschem Stadtalltag, Musical-Einlagen und Promi-Auflauf hatte seine Premiere – und sorgte mal für Begeisterung, mal für Verwunderung ("Gott, erlöse uns", twitterte Jan Böhmermann). Aber, wie schon bei Jesus nach dem letzten Atemzug am Kreuz: Die Geschichte war damit noch nicht zu Ende erzählt.
Neuinterpretation von Tod und Auferstehung
Am Mittwoch (27. März, 20.15 Uhr) nämlich feiert "Die Passion" ihr Comeback als Neuinterpretation von Tod und Auferstehung Jesu – mit neuem Personal, neuen Liedern und an neuen Schauplätzen. Nachdem vor zwei Jahren die NRW-Stadt Essen dem Leiden des Erlösers beiwohnen durfte, inszeniert RTL die Großproduktion nun in Kassel in Nordhessen. Als Jesus wird Moderator und Sänger Ben Blümel ("Engel") zu sehen sein, der damit die Nachfolge von Alexander Klaws (40, "Deutschland sucht den Superstar") antritt.
Als Verräter Judas hat RTL Schauspieler und Sänger Jimi Blue Ochsenknecht (32) verpflichtet. Mutter Maria wird von Sängerin Nadja Benaissa (41, No Angels) verkörpert. Für die "Passion" singen sie bekannte Popsongs, die mit der Jesus-Geschichte verwoben werden.
Bibelfeste Protagonisten
In offiziellen Kommuniqués geben sich die Protagonisten dem Thema angemessen relativ salbungsvoll und bibelfest. Schauspieler Francis Fulton-Smith (57) etwa, der Pontius Pilatus spielt, verkündete: "Pilatus war immer gegen eine Verurteilung Jesu! Aus heutiger Sicht hat er jedoch einen großen Teil zum Erfolg des christlichen Glaubens beigetragen, denn ohne Kreuzigung keine Auferstehung! Ohne Auferstehung keine Barmherzigkeit und die bedingungslose Liebe Gottes gegenüber den Menschen und der Schöpfung."
Dennoch hat die ganze Konstellation, die zwischen Premium-Musical und ein wenig Klatschspalte anzusiedeln ist, auch wieder latentes Verwitzelungspotenzial – was vor allem der Aufmerksamkeit in den sozialen Netzen nicht abträglich sein dürfte. In einer Gastrolle soll zum Beispiel wieder der ehemalige Fußball-Manager Reiner Calmund (75) zu sehen sein, der schon in Essen dabei war und dort im Beisein von Jesus eine Wurst aß. Auf ersten RTL-Fotos sieht man auch schon Jünger auf neuzeitlichen E-Scooter posieren.
Kassel und 75 Tonnen Technik
Kassel hat auch nicht unbedingt den Ruf, dem Heiligen Land sehr ähnlich zu sein, auch wenn es diverse und berechtigte Verteidigungsschriften gibt ("Warum Kassel die schönste Stadt Deutschlands ist", "Der Spiegel"). Die Hauptbühne (75 Tonnen Technik) wird am zentralen Friedrichsplatz stehen, einem der größten innerstädtischen Plätze Deutschlands. Er ist auch zentraler Ort der fünfjährlich stattfindenden Kunstausstellung documenta, die zuletzt allerdings wegen Antisemitismus-Vorwürfen in die Kritik geriet. 8000 Tickets gab es für Zuschauer – nach Angaben der Kassel Marketing GmbH wurden alle gebucht.
In der Stadt erhofft man sich vom Millionenpublikum der "Passion" einen Schub für die Sympathiewerte der Stadt und den Tourismus. Bei der ersten Inszenierung in Essen etwa erlangte die "Rüttenscheider Schlemmermeile" unverhoffte Prominenz.
"Nicht der typische Jesus"
"Die Produktion von "Die Passion" ist riesig. Als Musiker habe ich vor 15 Jahren auf so einer großen Bühne gesungen", sagt Ben Blümel. Der 42-Jährige hatte 2002 einen Mega-Hit mit "Engel". Damals trug er zumeist Mütze und wurde nur bei seinem Vornamen genannt. Heute macht er als Moderator viel Kinderfernsehen.
Die nicht unberechtigte Frage, ob Jesus im Jahr 2024 nun Mütze tragen wird, beantwortet er so: "Ich sag' es mal so: Jesus wird sehr viel weniger Haare haben als vor zwei Jahren." Außerdem sagte der 42-Jährige der Deutschen Presse-Agentur: "Ich bin optisch eigentlich nicht der typische Jesus, würde ich sagen. Ich habe eine kleine Plauze."
Stimme wieder fit gemacht
Beim ersten Anruf habe er kurz überlegt, ob sich da jemand einen Spaß erlaube mit ihm, sagt der Sänger. Gerechnet habe er damit nicht. Jetzt habe er aber "schwer Bock". "Zuletzt habe ich eher im Privaten oder bei meinen Moderationen gesungen, da aber dann nur zwei oder drei Songs", berichtet er. Seine Stimme werde nun fit gemacht, um zweieinhalb Stunden "Live-Show rocken" zu können.
Einen ersten Einsatz als Heiland hatte Blümel tatsächlich auch schon: Bei einem Termin in Kassel sprach er wegen eines Gerstenkorns am Auge vorsorglich in einer Klinik vor, wie er erzählt. "Als ich dann in die Klinik kam, haben die Mitarbeiter dort sofort gesagt: "Oh Jesus, was ist denn passiert?""
Emotionalere Seite
Auch Jimi Blue Ochsenknecht berichtet, dass er sich bei der Anfrage zunächst unsicher gewesen sei. "Den Jesus hätte ich wahrscheinlich nicht gespielt. Ich habe in meiner Karriere eigentlich immer den Lieben und den Sonnyboy verkörpert", sagt er. "Daran habe ich mich ein wenig satt gespielt." Die Idee mit Judas habe ihm aber sehr gefallen. "Da kann ich mal eine emotionalere Seite von mir zeigen, auch mal eine, die etwas böser ist – auch wenn ich weiß, dass Judas nicht nur böse war."
Für die Rolle hat Ochsenknecht auch noch einmal ein Gesangscoaching gemacht. "Religion ist schon auch ein ernstes Thema und dem will ich den nötigen Respekt entgegenbringen."
Beten fürs Gelingen
Ochsenknecht ist angetan von der Stadt Kassel. "Als ich in Kassel war, war ich angenehm überrascht. Ich hatte vorher gar keinen Bezug zu der Stadt und auch gar kein Bild von ihr", sagte der 32-Jährige. Doch sie habe ihm gefallen. "Wir waren ja schon dort, um uns die Schauplätze anzusehen", berichtete Jimi Blue Ochsenknecht über seine Zeit in Nordhessen. "Ich will unbedingt mal nun auf die documenta gehen, wenn sie wieder stattfindet.
Wie ernst man die Sache in Kassel nimmt, ist beim Bistum Fulda zu erfahren, in dessen Gebiet die Stadt liegt. Dort heißt es: "Ein Kreis von Beterinnen und Betern betet im Vorfeld regelmäßig für die Vorbereitungen und das Gelingen der Produktion."