Runder Tisch soll brutale Heimerziehung in der frühen Bundesrepublik aufarbeiten

"Schläge im Namen des Herrn"

Der Bundestags-Petitionsausschuss hat seine Beratungen über das Schicksal früherer Heimkinder in Deutschland am Mittwoch abgeschlossen. Am Abend wollten die Abgeordneten einen Runden Tisch zur Aufarbeitung der Heimerziehung in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik auf den Weg bringen. Dazu wollten sie einen fraktionsübergreifenden Beschluss fassen.

 (DR)

An dem Runden Tisch sollen Kirchen und öffentliche Heim-Träger, Vormundschaftsgerichte, Jugendhilfe und kommunale Spitzenverbände, Abgeordnete, Unternehmer, Wissenschaftler und Betroffene mitwirken. Der FDP-Obmann im Petitionsausschuss, Jens Ackermann, sprach von einem dunklen Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Die historische Aufarbeitung sei unerlässlich. «Das Unrecht, das die Betroffenen damals erlitten, muss anerkannt werden.»

Zu der Abschlusssitzung wurden auch Bundestagspräsident Norbert Lammert und die frühere Vizepräsidentin Antje Vollmer erwartet. Die Grünen-Politikerin galt im Vorfeld als Kandidatin für den Vorsitz des Runden Tisches. Zwischenzeitlich hatte es auch Forderungen nach einer «Nationalen Konferenz» mit eigener Geschäftsstelle und Untergliederungen in den Bundesländern gegeben.

Seit November 2006 hat sich der Ausschuss in zumeist nichtöffentlichen Beratungen und Anhörungen ungewöhnlich lange und intensiv mit dem Schicksal von Heimkindern im Nachkriegsdeutschland befasst. Betroffenen geht es unter anderem um eine moralische Anerkennung der damaligen Zustände in vielen Einrichtungen und um die Anerkennung von Rentenzeiten. Der Petitionsausschuss will zu diesem Thema nun einen seiner längsten Berichte der vergangenen Jahre vorlegen.

Auslöser der Debatte war ein Anfang 2006 erschienenes Buch des «Spiegel»-Autors Peter Wensierski unter dem Titel «Schläge im Namen des Herrn», nach dem bis Mitte der 60er Jahre in staatlichen und kirchlichen Heimen Hunderttausende Kinder und Jugendliche schikaniert worden seien. Ältere Jugendliche hätten für minimale Löhne arbeiten müssen und seien nicht sozialversichert gewesen, heißt es beispielsweise.

Der Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen hatte dazu erklärt, dass Misshandlungen keine generelle Praxis in kirchlichen Heimen gewesen seien. Es handele sich um «Einzelfälle, die sich allerdings mächtig häufen». Derzeit haben die Kirchen bundesweit mehrere Studien zu dem Thema in Auftrag gegeben.