Runder Tisch zu Missbrauch stärkt bisherige Rechtssprechung

Eine Anzeigepflicht kommt nicht

In Berlin tagte am Donnerstag die erste von insgesamt drei Arbeitsgruppen des Runden Tischs zu Missbrauch. Ein Ergebnis: Auch künftig soll es keine strafgesetzliche Pflicht zur Anzeige bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch geben, so Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Selber hatte sie noch vor Kurzem das Gegenteil gefordert.

 (DR)

Experten aus dem Rechtswesen, der Wissenschaft, der Beratungsarbeit und den Kirchen warnten am Donnerstag in Berlin einmütig vor einer gesetzlichen Verpflichtung zur Anzeige, wie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor Journalisten sagte.
Damit rückte die Ministerin selbst von ihrer im Februar geforderten Anzeigepflicht bei jedem Verdachtsfall ab.

In ihrem Hause tagte erstmals die dort angesiedelte Arbeitsgruppe des Runden Tischs der Bundesregierung zu Rechtsfragen. Das Gremium will dem gesamten Runden Tisch, der im September wieder zusammenkommen soll, nun empfehlen, von einer Anzeigepflicht und einer Strafrechtsänderung abzusehen. Die Ministerin sagte, jedes Opfer müsse die Möglichkeit haben, sich an eine Person seines Vertrauens zu wenden, "ohne dass gleich ein Strafverfahren eingeleitet wird". Das müsse gerade mit Blick auf die Opfer klar sein.  

Die Stellung des Opfers im Strafverfahren
Darüber hinaus diskutierten die Fachleute, wie Einrichtungen und Institutionen dennoch mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten können, «um zu verhindern, dass es nur interne, die Staatsanwaltschaft ersetzende Verfahren gibt», sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Über diese Frage hatte sich die Ministerin Anfang des Jahres mit der katholischen Kirche gestritten, so dass die Kirche zunächst nicht am Runden Tisch des Bundesjustizministeriums teilnehmen wollte.

In der auf fünf Stunden angesetzten Sitzung erörterten die Vertreter aus Politik, Kirche, Justiz und von Verbänden vor allem die Stellung des Opfers im Strafverfahren. Es sei deutlich geworden, dass mehrfache Vernehmungen Opfer stark belasteten, berichtete die Ministerin. Die Arbeitsgruppe will sich darüber hinaus mit möglichen Gesetzesänderungen wie etwa neuen Verjährungsfristen sowie Entschädigungsfragen beschäftigen. Die nächste Sitzung ist für Mitte Juli geplant.

"Prävention und Intervention"
Das Treffen im Bundesjustizministerium war die erste Zusammenkunft von einer der insgesamt drei fachlich ausgerichteten Arbeitsgruppen des Runden Tischs der Bundesregierung. Am kommenden Dienstag tagt im Familienministerium erstmals die Arbeitsgruppe "Prävention und Intervention". Am 7. Juni kommt dann als dritte Runde die Arbeitsgruppe des Forschungsministeriums zusammen.

Angesichts der Ende Januar zunächst in kirchlichen und dann auch in weiteren Einrichtungen bekanntgewordenen Missbrauchsfälle hatte die Bundesregierung einen Runden Tisch eingesetzt und eine unabhängige Beauftragte ernannt. Dieser Runde Tisch tagte am 23. April erstmals und benannte die Arbeitsgruppen.