Als 1979 die Not vietnamesischer Bootsflüchtlinge die Welt aufrüttelte, schreitet der Journalist Rupert Neudeck zur Tat. Er wirbt Spenden ein, gewinnt den Schriftsteller Heinrich Böll als Unterstützer, sucht Helfer - und wird zum Retter. Anfang 1980 nimmt das deutsche Schiff Cap Anamur im südchinesischen Meer die ersten 28 Boat People auf. Mit den Jahren werden mehr als 11.000 Schiffbrüchige gerettet.
Lange leitete er die Arbeit von Cap Anamur, unterstützt von seiner Frau Christel, von seinem Wohnzimmer in Troisdorf bei Bonn aus. Hilfe leisteten er, der 2016 verstarb, und seine Mitstreiter vor allem dort, wo keine andere Organisation hinkam - in entlegenen Orten in Somalia, im Kongo, im Kosovo oder in Nordkorea. Tagelange Fußmärsche und riskante Flüge gehörten dazu. So überquerte Neudeck als Mudschaheddin verkleidet eisige Hochgebirgspässe, um von Pakistan nach Afghanistan zu gelangen. Im Dezember 1999 stapfte er mit einem Medikamententransport durch das Felsenmeer der Nuba-Berge im heißen Südsudan, begleitet von den CDU-Politikern Heiner Geißler und Norbert Blüm. Immer wieder reiste der promovierte Philosoph in humanitärer Mission um den Globus, appellierte und analysierte, kritisierte und polemisierte.
Auf Regierungsstellen und UN-Organisationen wie UNICEF war er selten gut zu sprechen: Zu schwerfällig, zu langsam waren ihm die Apparate der Entwicklungshilfe-Industrie. Auch frühere Weggefährten traf Neudecks Zorn: 2004 überwarf er sich mit dem damaligen Cap-Anamur-Vorsitzenden Elias Bierdel, der in einer umstrittenen Rettungsaktion afrikanische Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien gebracht hatte.
Als junger Novize übte er sich in einem Jesuiten-Kloster bis zur Erschöpfung in Askese, Fasten und Geißelungen, dann trat er aber aus Krankheitsgründen aus dem Orden aus, wie er gegenüber DOMRADIO.DE berichtete. Als Motive seines Handelns nennt Neudeck die harte Zeit und die Rettung als Kind auf der Flucht aus Danzig - und seinen Glauben: "Der Auftrag des Evangeliums ist, Menschen zu helfen, wo sie in Not sind."
2003 gründete er die Grünhelme, einen Verein, der junge Muslime und Christen zur gemeinsamen Aufbauarbeit nach Afghanistan oder den Irak schicken will. Im Sommer 2013 wurden drei deutsche Grünhelme im Norden Syriens verschleppt. Sie kamen erst Monate später frei. Im selben Jahr gab er die Leitung der Grünhelme ab und wurde Ehrenvorsitzender. Das Leid der Syrer bewegte ihn jedoch weiterhin und so trommelte er dafür, syrische Ärzte und Lehrerinnen zu unterstützen.
Rupert Neudeck starb am 31. Mai 2016 an den Folgen einer Herzoperation. Er wurde auf dem Friedhof in Spich bei Troisdorf beigesetzt.
Anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Cap Anamur gibt es am Samstag, 31. August 2019, einen Festakt im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum. Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet wird mit dabei sein. Christel Neudeck wird eine Rede halten. (epd/DR)