Corona wirbelt die deutsche Glückslandschaft durcheinander

Sachsen-Anhalt erstmals auf Platz eins

Die Deutschen sind so wenig zufrieden wie lange nicht mehr. Die glücklichsten Bürger leben nicht mehr nur im Norden, sondern auch im Osten der Republik. Der "Glücksatlas" zeigt: Corona verändert die Stimmung im Land.

Autor/in:
Michael Althaus
Glückliche junge Menschen / © Syda Productions (shutterstock)
Glückliche junge Menschen / © Syda Productions ( shutterstock )

Das Glücksempfinden der Deutschen hat im zweiten Corona-Jahr erneut gelitten. Auf einer Skala von 0 bis 10 liegt die Lebenszufriedenheit der Bundesbürger aktuell bei 6,58 Punkten, wie aus dem am Mittwoch in Bonn vorgestellten "Glücksatlas" der Deutschen Post hervorgeht. Das sei der niedrigste Wert seit Beginn entsprechender Befragungen im Jahr 1984, teilte das Unternehmen mit.

Im Vor-Corona-Jahr 2019 hatte der Wert ein Rekordhoch von 7,14 Punkten erreicht. 2020 lag er nur noch bei 6,74 Punkten.

"Corona hat die Lebenszufriedenheit massiv nach unten gebracht, nachdem sie zehn Jahre lang auf relativ hohem Niveau lag", sagt der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler und Studienleiter Bernd Raffelhüschen. Die Pandemie dämpft in seinen Augen Wachstum und Globalisierung. Sie seien jedoch Triebfedern der Zufriedenheit, so der Ökonom.

"Glücksatlas"

Für den zum elften Mal vorgelegten "Glücksatlas" hat das Institut für Demoskopie Allensbach zwischen Januar und Juni 8.400 Menschen ab 16 Jahren befragt. Wie sehr die Pandemie die Stimmung im Land beeinflusst, zeigt sich im Monatsvergleich der Ergebnisse. In den Monaten mit Lockdown waren die Befragten im Durchschnitt um 0,52 Punkte unglücklicher als in Monaten ohne. Die Verschärfungen der Maßnahmen in der dritten Welle im März drückte die Stimmung auf den Tiefpunkt von 6,42 Punkten.

Danach sorgten steigende Impfzahlen und abnehmende Hospitalisierungs- und Sterberaten für einen Umschwung. Nach dem Ende des Lockdowns im Juni hat das Glücksniveau wieder 6,88 Punkte erreicht. Auch waren bereits 70 Prozent der Bevölkerung optimistisch, dass sich die Coronakrise bewältigen lasse, wenn ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist. Bei den bereits Geimpften liegt der Anteil der Optimisten sogar bei 76 Prozent. "Geimpfte Personen sind deutlich zufriedener als Ungeimpfte", so Raffelhüschen.

Bei Betrachtung einzelner Lebensbereiche bringt Corona weitere Überraschungen hervor. So stieg die Zufriedenheit mit der Gesundheit während der Ausbreitung des Virus paradoxerweise um 0,3 Punkte an.

"Die Leute haben offenbar doch gesehen, dass unser Gesundheitssystem funktioniert", erklärt der Experte. "Immerhin haben wir alle Covid-Patienten behandeln können."

Vor Corona waren die Deutschen am glücklichsten mit der Familie. Nun ist der Glücksindex in diesem Bereich um 0,8 auf 7,2 Punkte zurückgegangen - offenbar, weil die Familien sehr stark unter der Pandemie gelitten haben.

Glücksranking der Regionen

Auch das Glücksranking der Regionen wirbelt die Pandemie kräftig durcheinander. So fiel das Glücksniveau in Westdeutschland in den vergangenen zwei Jahren insgesamt stärker ab als in Ostdeutschland.

Die bisherige Schwäche der neuen Bundesländer verwandelt sich aus Sicht der Studie plötzlich in eine Stärke: Ursache für die geringeren Glücksverluste im Osten ist laut Raffelhüschen der dortige geringere Anteil an jungen Menschen und Familien. Diese Gruppe ist normalerweise außerordentlich glücklich; in der Pandemie hingegen war sie wegen geschlossener Schulen, Kitas und Co. besonders unzufrieden.

Damit bescherte sie dem Westen Verluste auf der Glücksskala - während sich die im Osten stärker vertretenen Alten offenbar ihre Zufriedenheit bewahrten.

Diese Entwicklung führt nahezu zu einem Ausgleich zwischen dem früher tendenziell deutlich unglücklicheren Osten (6,51 Punkte) und dem Westen (6,61 Punkte). So liegt mit Sachsen-Anhalt denn erstmals auch eine ostdeutsche Region an der Spitze des Glücksrankings. Es teilt sich den ersten Platz mit dem wiederholten Sieger Schleswig-Holstein (beide 6,78 Punkte). Schlusslicht ist diesmal Berlin (6,20 Punkte).

Beim Blick in die Zukunft ist Raffelhüschen trotz allem positiv gestimmt: "Ich glaube, dass wir langfristig wieder dahin kommen, wo wir vor Corona waren - nämlich zu einem der zufriedensten Deutschlands, die wir jemals hatten", meint der Wissenschaftler. Das werde aber noch eine Weile dauern. Auch was den Unterschied zwischen Ost und West angeht, ist der Forscher optimistisch: "Ich glaube, dass wir weiterhin eine Annäherung haben werden."


Quelle:
KNA