Schäuble ruft europäische Muslime zu Modernisierung auf

"Ein Stück weit europäisieren"

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat die Muslime in Europa zur Modernisierung ihres Glaubensverständnisses aufgerufen. Der Islam müsse sich "ein Stück weit europäisieren", sagte Schäuble am Samstag bei der Verleihung des Eugen-Biser-Preises an drei muslimische Würdenträger in München.

 (DR)

«Das bedeutet auch den Verzicht auf einen sozialen oder politischen Absolutheitsanspruch.» Das Innenministerium veröffentlichte den Wortlaut der Ansprache im Internet auf Deutsch und Arabisch.

Die Muslime müssten die in Europa historisch gewachsene Trennung von Staat und Religion akzeptieren, sagte der Minister. Wer aus der Religion politische Herrschaftsansprüche ableite, gefährde das freiheitliche Zusammenleben und provoziere abweisende Reaktionen.
Zugleich müsse man verhindern, dass Religionsgemeinschaften aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen würden oder sich selbst ausschlössen.

Schäuble appellierte an die Muslime in Deutschland und Europa, sich nach geltendem Recht zu organisieren. «Das bedeutet nicht, dass der Staat den Islam verkirchlichen will», betonte er. Das Religionsverfassungsrecht biete viele Möglichkeiten einer Kooperation mit dem Staat. Dafür seien de Modellversuche für islamischen Religionsunterricht gute Beispiele. Sie zeigten, dass der Staat den Muslimen entgegenkomme.

Den weiteren Teil des Weges müssten aber die Muslime zurücklegen und sich den Gegebenheiten ihrer neuen Heimat anpassen, fügte der Minister hinzu. Das geböten das Recht und auch der Respekt vor der christlichen Kultur, die dem Recht zugrundeliege. Nicht nur die Minderheiten hätten Anspruch auf Respekt, sondern auch die Mehrheit.

Für den Prozess der Anerkennung des Islam als Körperschaft öffentlichen Rechts warb der Innenminister um Geduld. Wer aus Ärger über die unvermeidliche Dauer der Prüfung den Eindruck erwecke, der deutsche Staat würde Muslime diskriminieren, gefährde den Prozess der Verständigung. Rechtliche Verfahren müssten für alle gelten.

Den Deutschen legte Schäuble weitere Anstrengungen nahe, den Prozess des «Heimisch-Werdens» der Muslime zu begleiten. «Wir werden lernen müssen, den Islam als Teil unserer Lebenswirklichkeit zu akzeptieren», meinte er. Die Auseinandersetzung im Islam selbst und mit ihm sei zugleich «ein Diskurs über die Rolle des Menschen in der Moderne». Die Europäer sollten reflektieren, ob durch den Prozess der Säkularisierung nicht «auch Wertvolles verloren gehen kann».
Dies könne zu neuer Offenheit gegenüber den Religionen führen.

Als «unverrückbar» im Dialog hob Schäuble «die notwendige Abgrenzung von jeglicher Form des Extremismus» hervor. Niemand dürfe die rechtliche Gleichheit von Frauen und Männern, die Meinungsfreiheit und das Recht, den Glauben zu wechseln oder keinen Glauben zu haben, niemand außer Kraft setzen.