"Spaltung ist gar nicht das große Problem, das ist eine kleine Minderheit, die allermeisten Menschen, das zeigen doch alle Meinungsumfragen, sind ja ganz vernünftig. Und mit Minderheiten muss man immer umgehen, muss man immer auch respektieren."
Ihn sorge vielmehr, dass in der Gesellschaft Vieles auseinanderdrifte: "Wir haben nicht mehr die Einheit, wir haben nicht mehr die gemeinsamen Medien." Es fehle in vielen Fällen eine tiefgründige öffentliche Debatte. Und wenn es keine geteilte Lebenswirklichkeit und keine gemeinsame Öffentlichkeit mehr gebe, dann sei auch der Bestand der Werteordnung und der Demokratie bedroht.
Demokratie nicht vergessen
Schäuble, der seit 1972 dem Bundestag angehört und damit der dienstälteste Abgeordnete der deutschen Parlamentsgeschichte ist, kritisierte auch fehlendes Vertrauen vieler Bürger in Institutionen, Wissenschaft und Politik. "Es nervt mich, wenn Menschen, die von Medizin so wenig Ahnung haben wie ich, mir dann erklären wollen, warum die führenden Virologen (...) in der Sache der Pandemie oder des Coronavirus nicht recht hätten." Die Gesellschaft müsse "ein Stück weit auf diejenigen hören, denen wir ja auch bestimmte Aufgaben anvertrauen, übrigens auch Politikern oder auch der Justiz, den Gerichten".
Zu einer Demokratie gehöre es auch, Mehrheitsentscheidungen letztlich zu akzeptieren, so der CDU-Politiker weiter. Das bedeute nicht, dass der Einzelne nicht anderer Meinung sein könne. "Deswegen darf man auch gegen Mehrheitsentscheidungen demonstrieren, aber natürlich muss man dann am Ende sich auch wieder den rechtlich verbindlichen Entscheidungen beugen." Sonst funktioniere friedliches Zusammenleben zwischen Menschen nicht.