Scharfe Kritik an Koalitionsplänen zur privaten Pflegevorsorge

Unsozialer Pflege-Bahr?

Der Beschluss der Koalitionsspitze zur Förderung von privaten Pflegezusatzversicherungen stößt bei Opposition und Sozialverbänden auf heftige Kritik. Bürger, die eine private Pflegezusatzversicherung abschließen, sollen künftig einen Zuschuss von monatlich fünf Euro erhalten, unabhängig vom Einkommen.

 (DR)

Caritas-Präsident Peter Neher sagt, eine nachhaltige Lösung habe die Koalition nicht vorgelegt. Das Geld solle lieber in die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs investiert werden. Statt solcher Einzelmaßnahmen bedürfe es einer Stärkung und Stabilisierung des bestehenden Solidarsystems.



Der Paritätische Wohlfahrtsverband beurteilt die Pläne der Bundesregierung zur Förderung der privaten Pflegeversicherung als Abschied von der sozialen Pflegeversicherung. "Wenn jetzt der Pflege-Bahr kommen sollte, wird die soziale Pflegeversicherung endgültig ad absurdum geführt", erklärte der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtsverbands, Rolf Rosenbrock, am Dienstag in Berlin. Die Pläne würden der Versicherungswirtschaft eine neue Profitquelle erschließen und seien unsozial.



Rosenbrock sagte, dass Menschen mit wenig Einkommen kein Geld für eine private Zusatzversicherung hätten. "Im Ergebnis werden immer häufiger die finanziell ohnehin überlasteten Kommunen über die Sozialhilfe einspringen müssen", warnte der Verbandsvorsitzende. Statt der Förderung privater Pflege forderte er den Umbau der Pflegeversicherung zu einer sozialen und solidarischen Bürgerversicherung. Bemessungsgrundlage seien dabei nicht nur die Löhne, sondern auch Einkünfte wie Kapital- und Mieteinträge.



Geringverdiener im Nachteil

"Der Pflege-Bahr ist schon gescheitert bevor es ihn gibt", sagte die SPD-Vizefraktionsvorsitzende Elke Ferner am Dienstag in Berlin. Er diene nur dem Zweck, die Renditen der privaten Versicherungswirtschaft zulasten der Versicherten zu steigern. Die Sprecherin für Pflegepolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, bezeichnete die Pflegepläne der Koalition als beschämend. Von dem jetzigen Beschluss gehe das Signal aus, dass Union und FDP "in der Privatisierung der Pflege den Schlüssel zum Glück sehen und von Solidarität wenig halten".



Ähnlich äußerte sich der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler. Die FDP zeige einmal mehr, dass sie in erster Linie das Wohl ihrer Klientel, aber nicht das der Gesellschaft vertrete. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von einem Abschied von der sozialen Pflegeversicherung. Die Pläne würden der Versicherungswirtschaft eine neue Profitquelle erschließen und seien unsozial. Menschen mit wenig Einkommen hätten kein Geld für eine private Zusatzversicherung.



Die Stiftung Warentest bezeichnete das Koalitionsvorhaben als unzureichend. Versicherungsexpertin Sabine Baierl-Johna sagte MDR INFO, bei Versicherungsmodellen, die alle Pflegestufen umfassten, müsse mit Einstiegstarifen um die 50 Euro gerechnet werden. Hier seien die fünf Euro vom Staat nicht besonders viel.



Der Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft begrüßte die Pläne hingegen. Dies sei ein wichtiger Baustein zur Absicherung gegen steigende Pflegekosten. "Pflege wird auch in Zukunft nicht preisgünstiger zu haben sein", sagte Verbandspräsident Werner Küsters. Daher sollten die Menschen stärker vorsorgen.



Brüderle: zusätzliche, freiwillige Säule

Zuvor hatte bereits FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle den Beschluss verteidigt: "Eine private Vorsorge dient dazu, dass jeder oder jede für sich selbst etwas anspart, worauf der Staat keinen Zugriff hat." Die sozialen Sicherungssysteme würden damit krisensicherer und durch eine zusätzliche, freiwillige Säule gestärkt, sagte Brüderle der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagsausgabe).



Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums soll der Gesetzentwurf zur privaten Pflegevorsorge bereits an diesem Mittwoch ins Kabinett gehen. Die Förderung der privaten Vorsorge soll gemeinsam mit der Pflegereform im Bundestag verabschiedet werden. Darauf hatten sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler am Montag geeinigt.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellt dafür im kommenden Jahr 100 Millionen Euro zur Verfügung.