DOMRADIO.DE: Johann Sebastian Bach spielte Orgel, Klavier, Cembalo, aber auch Violine und Bratsche. Er hatte zig Kinder und war sogar im Gefängnis. Bach war kein Leichtgewicht. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet? Optisch vor allen Dingen, aber auch inhaltlich?
Devid Striesow: Ich habe von der Produktion das Angebot bekommen und mich sehr gefreut. Dann habe ich mich ein bisschen konzentriert, mich zurückgezogen und überlegt, wie kann man sich dem nähern. Zunächst, wie kann man sich dem optisch nähern?
Ich habe mir tatsächlich 20 Kilo angefressen in zweieinhalb Monaten. Das war auch gut so, denn das macht was mit einem. Der Körper wird behäbiger, die Bewegungen werden etwas schwergängiger. Es ist eine ganz neue Figur, von innen und außen.
Inhaltlich habe ich mich natürlich dem genähert, indem ich Klavier-Unterricht genommen habe, mich mit der Musik auseinandergesetzt habe, was für mich kein großes Neuland war, weil ich mich mit Klassik schon ewig lange beschäftige. Ich habe einen Klassik Podcast auf Deutschlandfunk Kultur "Klassik drastisch" heißt der. Ich habe mich also mit der Musik beschäftigt und mit dem Weihnachtsoratorium im Speziellen.
DOMRADIO.DE: Kann man nicht etwas wie eine Bleiweste anziehen und ein bisschen was drauf schminken? Muss man sich wirklich, wie Sie sagen "fettfressen"?
Striesow: Wir sind ja beim Fernsehen. Der Film hat zwar Kinoformat, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich habe ihn jetzt im Kino gesehen, das war ganz toll. Aber wir sind beim Fernsehen und wir haben Close ups. Wir können nicht mit Fatsuits am Bauch den Hals dicker machen. Das funktioniert leider nicht. Auch die dicken Backen mussten her.
DOMRADIO.DE: Aber aus sicheren Quellen weiß ich, da ist schon wieder einiges runter.
Striesow: Da sind dieses Jahr schon wieder 17 Kilogramm runtergekommen. Fünf müssen noch folgen, aber da bin ich auf jeden Fall dran. Nicht jetzt über Weihnachten, keine Angst. Ich werde mir trotzdem den Gänsebraten nicht versauen lassen, aber es muss noch etwas runter.
DOMRADIO.DE: Johann Sebastian Bach wirkt nicht unbedingt besonders sympathisch in dem Film. Er ist stur, legt sich mit dem Stadtrat an, arbeitet wie im Wahn an seiner Weihnachtswerken und stellt dann auch die Musik oftmals über die Familie. Was hat Sie gereizt an der Rolle?
Striesow: Glücklicherweise, wie ich finde, erzählen wir, die drei Tage vor Weihnachten im Jahr 1734 und machen kein ganzes Biopic, wo ich sozusagen, wie bei Martin Luther über 40 Jahre einen Charakter spiele. Ich spiele in diesen drei Tagen, wo Bach unter Druck steht, wo er wirklich Ideen hat, dieses Weihnachtsoratorium zu schreiben und sich gegen Bedrängnis wehren muss. Das muss man zu seiner Rechtfertigung sagen.
Er muss sich wehren, weil er von allen Seiten beschnitten wird, besonders von der Seite des Stadtrates, gegen den er sich zur Wehr setzen möchte und wo er, wie ich finde, sehr schlüssig argumentiert, warum er dieses Weihnachtsoratorium schreiben möchte und muss.
Er hat natürlich eine große Familie. Er hat die Thomaner im selben Haus, er hat noch Ämter, er ist Organist und hat viel zu schreiben und muss sich da natürlich sehr fokussieren.
Dann kommen die Söhne zu Weihnachten nach Hause. Mit dem Sohn Carl Philipp Emanuel ist im Sommer irgendetwas vorgefallen. Er ist abgereist, ohne Tschüss zu sagen. Und der kommt jetzt wieder, beide stellen sich diesem Konflikt und da kommt das eine zum anderen. Da ist richtig viel los im Hause Bach.
Der jüngste Sohn läuft noch weg, ganz verschreckt. Er muss gesucht und gefunden werden und wieder zurückgebracht werden. Ich habe Bach ein bisschen als einen Charakter in dieser Zeit versucht zu spielen, wobei er durch die Menge an Herausforderungen auch eine Art hat, dass ihm manchmal der Kragen platzt.
Ich weiß gar nicht, ob man das unsympathisch nennen kann, aber er ist teilweise einfach überfordert und er hat eine wunderbare Frau, die das mit ihm zusammen - auch nicht unkritisch - wuppt. Ich gehe davon aus, meine ganz persönliche Meinung, dass die beiden eine ganz tolle und großartige Liebe hatten.
DOMRADIO.DE: Anna Magdalena, die ist im Film Sopranistin. Jetzt haben Sie den Sohn Emanuel erwähnt und der wird von Ihrem leiblichen Sohn Ludwig Simon gespielt. Wie war die Zusammenarbeit für Sie?
Striesow: Die Zusammenarbeit war großartig. Ich habe meinen Sohn noch mal als Kollegen erleben dürfen. Wir hatten schon einmal die Situation, dass wir zusammengespielt haben. Das war im Tatort. Damals war er noch ein ausgehender Teenager. Nun ist er erwachsen, 27 Jahre, und wir sind uns auf Augenhöhe begegnet.
Das war wie einen Kollegen zu finden, mit dem man über alles reden kann. Wir haben uns im Vorfeld der Produktion aufs Land zurückgezogen, sind das Drehbuch durch gegangen, sind durch die Szenen gegangen und haben über die Unterschiede gesprochen, wie wir miteinander, wie wir mit den Charakteren umgehen und wie wir uns ihnen nähern. Da sind tatsächlich ganz spannende Geschichten aufgegangen und wir haben das gut durchleuchtet.
DOMRADIO.DE: Das klingt nach sehr reinen Beziehungen. Diese Vater-Sohn-Beziehung im Film ist natürlich wesentlich komplizierter. Emanuel hat seinen eigenen Kopf, da gibt es Streit und Missverständnisse. Privat kennen Sie das nicht?
Striesow: Diese Spannungen, diese Konflikte, die die beiden haben, kennen wir nicht. Das sind auch, glaube ich, an die Zeit gebundene Probleme, oder es war bis vor kurzem noch Thema, vielleicht noch bei meiner Elterngeneration. Dass der Vater dem Sohn vorwirft, er würde nicht ernsthaft genug arbeiten, und er müsse das genauso machen und das wäre keine Familie. Nur mit diesem Amt und mit Sicherheit und diese ganzen Themen, die heute nicht mehr so relevant sind.
Da gibt es einfach zu viele Einflüsse. Ich würde meinen Kindern niemals vorschreiben, was sie gut zu finden haben, wohin sich ihr Bedürfnis richten muss. Das war aber damals noch eine andere Kiste, glaube ich.
Und dieser Konflikt wird von den beiden ausgetragen. Da kommt es natürlich auch zum Streit, zum Höhepunkt. Emanuel wird dann auch wieder abreisen und wird durch eine andere Geschichte aufgehalten. Da ist eine Menge los in den drei Tagen vor Weihnachten im Hause Bach.
DOMRADIO.DE: Ein Blick hinter die Kulissen. Es brauchte viel Schnee, denn die Verfilmung spielte wenige Tage vor Weihnachten 1734. Was waren da so die großen Herausforderungen am Set?
Striesow: Das war für mich mal ganz interessant zu sehen, wie das tatsächlich ist mit einer Schneemaschine und einer Windmaschine. Da wird natürlich so richtig Winter erzählt, was auch zu einem Weihnachtsfilm gehört, wie ich finde. Warum soll es 1734 nicht wirklich geschneit haben zu Weihnachten. Die Vorstellung wäre doch ganz schön.
Wir haben wahnsinnig viele Komparsen. Die Ausstattung ist ganz fein und detailliert und wir konnten uns da auf Sachen verlassen, die für mich auch in ihrer Detailtreue wirklich einzigartig waren. Das waren zum Beispiel diese ganzen Kantaten, die dort an den Seilen hängen, an den Strippen im Hause Bach, um zu trocknen.
Wenn wir chronologisch wieder nach hinten sprangen, also die Chronologie verließen und dann wieder zurückgingen, wurde von der Ausstattung sofort wieder umdekoriert und die Kantaten wieder genauso hingehängt, wie sie zu diesem Zeitpunkt da gehangen haben. Das waren alles wirklich geschriebene Noten, kein Krickelkrakel, sondern wirklich handgeschriebene, nachgeschriebene Kantaten-Noten. Unglaublich toll und einzigartig.
DOMRADIO.DE: Haben Sie selber einen Bezug zur Kirchenmusik?
Striesow: Ich höre wahnsinnig gerne die Passionen und auch das Weihnachtsoratorium. Ich kann das natürlich nicht selbst spielen. Das, was Bach da im Film spielt, das spiele ich als Schauspieler.
DOMRADIO.DE: Der Film, der an diesem Mittwoch in der ARD laufen wird und schon jetzt in der Mediathek zu sehen ist, hat das Zeug zum Weihnachtsklassiker. Das sagen einige. Gibt es einen Weihnachtsfilm, der bei Ihnen an den Feiertagen nicht fehlen darf? Oder bleibt die Glotze aus?
Striesow: Nein, im Gegenteil. Die Glotze bleibt das ganze Jahr über eher aus. Und zu Weihnachten hockt man sich dann auf das riesige Sofa gemeinsam und guckt sich Sachen an. Wir haben teilweise noch sehr kleine Kinder, die Spanne ist sehr groß zwischen Teenagern und ganz kleinen Kindern, deshalb ist unser Klassiker hier in der Familie immer die Weihnachtsgeschichte mit den Muppets.
Das Interview führte Tobias Fricke.