Schifferpfarrer sieht niedrige Wasserstände kritisch

Besorgter Blick in die Zukunft

Die Pegelstände vieler großer Flüsse in Deutschland sind seit einigen Wochen extrem niedrig. Das hat auch Auswirkungen auf die Binnenschiffer. Deren Sorgen und Nöte kennt Pfarrer Frank Wessel vom Evangelischen Binnenschifferdienst.

Niedriger Wasserstand im Rhein / © gerd-harder (shutterstock)
Niedriger Wasserstand im Rhein / © gerd-harder ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie waren vergangene Woche auf Ihrem Kirchenschiff unterwegs und haben Kapitäne und Crews besucht. Welchen Eindruck hatten Sie da vom Rhein? 

Pfarrer Frank Wessel

"Ich sehe da große Befürchtungen für die nächsten Jahre."

Pfarrer Frank Wessel (Evangelischer Pfarrer für Binnenschiffer und Seeleute): Es ist schon ganz schön erschreckend, wenn man die Ufer so weit freigelegt sieht und fast das Gefühl hat, man kommt trockenen Fußes auf die andere Seite. Es macht mich auch ein bisschen betroffen, weil ich weiß, dass das Wohl oder Wehe vieler Menschen entlang des Rheins, die auf die Schifffahrt angewiesen sind, davon abhängt. Ich sehe da große Befürchtungen für die nächsten Jahre. 

Frank Wessel, Pfarrer des Evangelischen Binnenschifferdienstes / © Julia Steinbrecht (KNA)
Frank Wessel, Pfarrer des Evangelischen Binnenschifferdienstes / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind mit Ihrem Kirchenschiff unterwegs und hören sich auch die Sorgen und Nöte der Schiffsleute an. Werden sie angefordert oder fahren sie direkt initiativ auf die Schiffer zu? 

Wessel: Das ist beides der Fall. Manchmal bekommen wir einen Anruf oder werden auch über Schiffsfunk angerufen. Meistens aber gucken wir, welche Schiffe gerade da sind und wo wir Arbeitsprozesse auch stören dürfen. Denn wir kommen ja immer in eine Arbeitswelt hinein. Dann legen wir längsseits an und ich gehe rüber und sage: "Hallo, wie geht es Euch?"

DOMRADIO.DE: Wie genau läuft es dann ab? Wie kommen Sie ins Gespräch? 

Pfarrer Frank Wessel

"Wenn ich dann komme, wird häufig das Herz ganz schnell ausgeschüttet."

Wessel: In der Regel relativ einfach, weil man uns ganz gut kennt. Das Kirchenboot ist eine bekannte Größe in den Häfen entlang des Rheins. Die meisten Binnenschiffer kenne ich mittlerweile auch durch meine Tätigkeit als Berufsschullehrer am Schiffer-Berufskolleg. Dann sind es alte Bekannte und man kennt sich und freut sich, sich zu sehen. Wenn ich dann komme, wird häufig das Herz ganz schnell ausgeschüttet. 

DOMRADIO.DE: Die Schiffe können bei diesem Niedrigwasser nur einen Bruchteil der üblichen Ladung transportieren, um nicht auf Grund zu laufen. Aber anders als beim Hochwasser können Sie immerhin fahren. Oder müssen manche auch auf mehr Wasser warten? 

Rhein-Pegelstand bei Kaub auf 100 Zentimeter gestiegen

Der für die Schifffahrt auf dem Rhein wichtige Pegelstand bei Kaub steigt weiter. Er erhöhte sich nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) bis 5.00 Uhr am Montag auf 100 Zentimeter. Das waren 40 Zentimeter mehr als am Sonntag um die gleiche Uhrzeit. Der WSV-Prognose zufolge könnte der Pegelstand bis zum Dienstagmorgen auf 143 Zentimeter steigen. Danach rechnet die Behörde wieder mit sinkenden Werten.

Düsseldorf: Die Erde am Rheinufer ist durch die Hitze aufgeplatzt / © Federico Gambarini (dpa)
Düsseldorf: Die Erde am Rheinufer ist durch die Hitze aufgeplatzt / © Federico Gambarini ( dpa )

Wessel: Es ist beides der Fall. Es gibt bei dem kleinen Wasser kein Verbot zu fahren. Die Verantwortung liegt jeweils im Bereich der Schiffsführer. Er muss entscheiden: Wo fährt er hin? Wie viel Wasser hat er da und wie viel kann er zuladen? Das bedeutet für manche Schiffe, dass sie mit Teilladungen wie einem Drittel wirtschaftlich noch relativ gut über die Runden kommen.

Für andere bedeutet es, dass sie bestimmte Fahrgebiete nicht mehr anfahren können und dann auch liegen und warten müssen, bis wieder Wasser da ist. 

DOMRADIO.DE: Es gibt Frachtzuschläge für diese erschwerten Bedingungen. Wie dramatisch empfinden denn die Schiffsleute generell dieses Niedrigwasser? Sprechen die mit Ihnen darüber? 

Wessel: Wir haben am Donnerstag recht viele Bordbesuche gemacht und Gespräche geführt. Die meisten haben mir schlicht und einfach gesagt: Im Moment habe ich ein Fahrgebiet, da kann ich mit einer Drittel Ladung gut fahren und verdiene im Moment auch gutes Geld. Aber wenn das so weitergeht, kommt der Punkt: Da muss ich dann auch Reisen ablehnen und dann liege ich da und habe nichts mehr zu tun.

Also, das ist eine ganz ambivalente Geschichte. Auf der einen Seite kommt im Moment noch gutes Geld in die Kasse. Auf der anderen Seite weiß man: Noch ein bisschen weniger Wasser, dann sitzt man da und verdient gar nichts mehr. 

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch noch andere Schicksale bei Schiffsleuten. Welche sind das? Was bekommen Sie da mit bei Ihrer Arbeit? 

Pfarrer Frank Wessel

"Noch ein bisschen weniger Wasser, dann sitze ich da und verdiene gar nichts mehr."

Wessel: Die meisten Gespräche führen wir über die Situation an Bord. Es gibt Partikuliere (Anm. d. Red.: selbständige Schiffseigentümer), die sind 365 Tage im Jahr an Bord, manchmal auch Mann und Frau gemeinsam und das auf sehr engem Raum. Also alles, was sich rund um Familie und Partnerschaft bewegt, ist häufig ein Gesprächsthema.

Manchmal sind es auch Sorgen, die sehr privat und sehr persönlich sind. Ich habe mit einem jungen Mann gesprochen, der jetzt seit 20 Jahren in der Schifffahrt ist, der sich sehnlichst eine Familie wünscht. Aber das funktioniert irgendwie nicht, weil ihm die Binnenschifffahrt da die ganze Zeit ein Bein stellt. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, dass das Niedrigwasser tatsächlich nur ein kleines Problem ist im Vergleich zu dem, was sonst noch die Menschen bewegt?

Wessel: Genau. Da könnte man wirklich sagen, hier spielt der Wasserstand im Moment keine Rolle. Der wird so oder so von den Menschen an Bord nicht ganz so dramatisch betrachtet, weil sie mit dem Auf und Ab des Flusses ja tatsächlich tagein, tagaus leben. Sie kennen sowohl diese Kleinwasser-Situation als auch das Hochwasser, das meistens schwieriger ist, weil dann die Schiffe nicht mehr fahren dürfen. Von daher ist das für sie Alltag und sie leben damit. 

Das Interview führte Julia Reck.

Quelle:
DR