Schirmherr Gauck besucht Kirchenburg Heltau in Siebenbürgen

"Was unser Gott geschaffen hat, das will er auch erhalten"

In Begleitung des rumäniendeutschen Rockstars Peter Maffay besucht Bundespräsident Joachim Gauck bis Mittwoch Rumänien. Die beiden verbindet auch ein ganz besonderes Feld: die Sorge um die Kirchenburgen Siebenbürgens.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Bundespräsident Joachim Gauck (r) mit Sänger Peter Maffay im rumänischen Hermannstadt / © Rainer Jensen (dpa)
Bundespräsident Joachim Gauck (r) mit Sänger Peter Maffay im rumänischen Hermannstadt / © Rainer Jensen ( dpa )

Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Uhr am Kirchturm auf fünf vor zwölf steht. Über schräge, knarrende Holzleitern und durch Fledermauskot klettert man bis zu den Glocken und schaut hinunter auf eine Zukunft, die es schon nicht mehr gibt. Viele mittelalterliche Kirchenburgen Siebenbürgens sind in ihrem Bestand bedroht - und noch mehr sind es ihre Gemeinden.

Stiftung zur Rettung der Kirchenburgen

Rund 150 befestigte Wehrkirchen gibt es noch, Zeugnisse der einst zahlreichen deutschen Minderheit in Rumänien. 25 Jahre nach dem Sturz des Kommunismus sind die meisten der "Siebenbürger Sachsen" ausgewandert. Zu wenige sind übrig, um das Kulturerbe instand zu halten. 2014 stieg Bundespräsident Joachim Gauck gemeinsam mit seinem damaligen rumänischen Amtskollegen Trajan Basescu in die Bresche: In Cisnadie (deutsch Heltau) wurde die Übernahme ihrer Schirmherrschaft für eine Stiftung zur Rettung der Kirchenburgen offiziell verkündet.

An diesem Dienstag nun kam Gauck persönlich nach Heltau. Die Wehrkirchen der Siebenbürger Sachsen dienten im Spätmittelalter vor allem zur Verteidigung gegen die Türkeneinfälle. Den Dorfbewohnern am Karpatenrand fehlten die Mittel, ihren ganzen Ort gegen Überfälle und kriegerische Auseinandersetzungen zu befestigen. Am ehesten dafür geeignet waren die Kirchen, oft der einzige Steinbau. Und so finden sich unter ihnen Anlagen mit zum Teil mehrfacher Ringmauer, Wehrgängen, Bastionen und Außentürmen.

Anrührend sind die Zeugnisse der Toten: "Hir ruhct Thorwächter Maria", hat der - offenbar des Deutschen unkundige - rumänische Steinmetz in Casolt (Kastenholz) eingemeißelt. Und ein paar Steine weiter heißt es: "Obwohl zerstreut wir in der Welt - dein Grab uns doch zusammenhält". Ebenso anrührend auch die Zeugnisse der Lebenden: "Was unser Gott geschaffen hat, das will er auch erhalten", singen die wenigen verbliebenen Sachsen im Sonntagsgottesdienst. Doch wie soll das geschehen?

Kulturerbe über Jahrhunderte bewahrt

Über Jahrhunderte haben die Siebenbürger Sachsen, Nachfahren deutscher Siedler des Mittelalters, ihr Kulturerbe und auch ihre befestigten Kirchenburgen bewahrt. Nach dem Massenexodus der Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg, nochmals verstärkt seit dem Sturz der Ceausescu-Diktatur 1989, blieben jedoch nur noch ganz wenige "Sachsen" übrig - rund 12.000 in ganz Siebenbürgen, viele davon bereits jenseits der 80.

Die Kirchenburg von Wurmloch, rumänisch Valea Viilor, gehört seit 1996 zum Weltkulturerbe. Die Zahl der sächsischen Gemeindemitglieder: kein halbes Dutzend mehr. In Kirchberg (Chirpar) ein ähnliches Bild. Der Blick vom Kirchturm auf die Kulisse der Karpaten: ein Traum. Die Zahl der "Seelen": unter 20. Im Kircheninneren die ausgeblichenen Fahnen der Vereine mit den sächsischen Sinnsprüchen: "Gott, gib Fried in unserem Lande, Glück und Heil zu jedem Stande."

Für viele Baudenkmäler sehen Experten freilich noch gute Chancen: Der Zustand ist besser als nach 1990 allgemein angenommen. Vielleicht 40 der 150 Denkmäler sind noch voll intakt - aber es gibt auch mindestens 50 Problemfälle. Etwa zwei Dutzend sind akut bedroht.

Dorfkirchen brauchen Nutzungsstrategie

Neben umfassenden Geldmitteln braucht die "Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses" als Eigentümerin der Dorfkirchen vor allem auch eine Strategie zur Nutzung. Auch wenn es in Einzelfällen Patenschaften von Exilgemeinden oder Initiativen für Kultur- und Kunststätten gibt: Tatsächlich werden im ländlichen Raum Jugendherbergen, Tagungs- und Handwerkszentren nur in begrenzter Zahl benötigt. Bei der Begutachtung werden die Erreichbarkeit, das Fortbestehen einer Kirchengemeinde oder das Vorhandensein von Gästehäusern eine wichtige Rolle spielen.

Immerhin ist eine wachsende Zahl von Siebenbürgen-Touristen zu verzeichnen. Die ausgewanderten Sachsen plagt immer wieder Heimweh - und so kommen sie als "Sommer-Sachsen" vorübergehend zurück in die alte Heimat, die doch auch nicht mehr die alte ist. Hinzu kommen zuletzt immer mehr Nostalgiker, die gern "nach gestern" reisen. Vielleicht steht am Horizont ja eine touristische "Straße der Kirchenburgen". Sie wäre eine neue Chance für diese eindrucksvollen Zeugnisse deutscher Kultur in Rumänien.

 

Quelle:
KNA