Der von Präsident Nicolas Maduro ausgerufene Wahlprozess sei illegitim und voller Unregelmäßigkeiten, hatten die venezolanischen Bischöfe noch Mitte Juli bei ihrer Vollversammlung erklärt. Damit stellten sie sich klar auf die Seite der Opposition, die die geplanten Wahlen ebenfalls scharf kritisiert.
Stellungnahme der Bischofskonferenz
Umso überraschender kommt nun eine Stellungnahme der Bischofskonferenz, in der die Oberhirten der Opposition offensichtlich in die Parade fahren. Der Aufruf einiger Oppositionsparteien, die Wahlen zu boykottieren, wird darin scharf kritisiert.
"Die Nichtteilnahme an den Parlamentswahlen und der Aufruf zur Stimmenthaltung bedeuten die Aufgabe des politischen Handelns", warnen die Bischöfe in der Erklärung, aus der das Online-Portal "Vatican News" zitiert. Trotz aller Unregelmäßigkeiten sei eine massive Beteiligung der Bevölkerung an der Abstimmung notwendig, "um totalitären Ansätzen und der Ausbeutung der Bürger durch die Regierung zuvorzukommen".
Appell an die Opposition
Ausdrücklich wenden sich die Bischöfe auch an die Politiker der Oppositionsparteien: "In diesem Moment ist die volle und freie Teilnahme aller politischen Parteien und Bewegungen am Wahlprozess unbedingt erforderlich", heißt es in dem Schreiben.
Statt zum Boykott aufzurufen, gelte es, parteiliche Interessen beiseitezulegen, das Gemeinwohl zu fördern und sich in den Dienst des gesamten venezolanischen Volkes zu stellen. "Jeder Schritt, der die politische und soziale Lösung der wirklichen Probleme des Landes behindert, ist unmoralisch", zitiert "Vatican News" die Bischöfe.
Bei der bislang letzten Parlamentswahl 2015 hatte die Opposition einen deutlichen Sieg eingefahren, doch Präsident Maduro regierte mit Hilfe von Sonderdekreten über die Volksvertretung hinweg. Später entmachtete Maduro die Nationalversammlung, indem er alle Kompetenzen an eine verfassungsgebende Versammlung übertrug, die von seinen politischen Gefolgsleuten dominiert wurde. Auf die Entmachtung des frei gewählten Parlaments setzte eine Massenflucht aus Venezuela ein.
Aufruf der Bischöfe stößt auch auf Kritik
Der Aufruf der Bischöfe stößt im Land auch auf Kritik. "Ich habe das Schreiben mit Verblüffung wahrgenommen", sagt etwa der französische Missionar Georges Engel, der seit Jahren in Caracas lebt und arbeitet.
Wenige Tage zuvor erst habe die Europäische Union entschieden, keine Beobachter zu den Wahlen im Dezember zu schicken und zugleich die Verschiebung des Urnengangs gefordert, weil die Bedingungen für faire Wahlen derzeit nicht gegeben seien. Vor diesem Hintergrund sei der Aufruf der Bischöfe "umso unverständlicher", betont Engel im Gespräch mit der französischen Zeitung "La Croix".
Auch die Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado kritisiert das Papier der Bischöfe, das sie als "Kehrtwende" interpretiert. "Der Tyrannei in die Hände zu spielen, bedeutet, unseren Kampf aufzugeben und unser Leid zu verlängern", erklärt Machado in ihrem Kommunique.
Und Georges Engel fügt hinzu: "Für mich hat der Aufruf der Bischöfe nichts mit dem Evangelium zu tun." Dort nämlich rufe Jesus seine Jünger dazu auf, eindeutig Position zu beziehen: "Euer Ja sei ein Ja und euer Nein ein Nein!"