Schmidt-Schule in Ostjerusalem

"Konkreter kann Friedenserziehung gar nicht gehen"

In Israel tagt eine internationale Konferenz zu Konfliktlösungen in der Welt. In Ostjerusalem wird mit der Schmidt-Schule Verständigung gelebt, getragen vom Deutschen Verein vom Heiligen Land.

Schülerinnen der Schmidt-Schule (KNA)
Schülerinnen der Schmidt-Schule / ( KNA )

domradio.de: Was ist das Besondere an dieser Schule?

Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Jerusalemer Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Land): Es ist eine deutsche Schule, die in Ostjerusalem liegt, für 500 palästinensische Mädchen. Das hört sich zunächst einmal sehr einseitig an. Manchmal werden wir auch von israelischen Freunden gefragt, warum engagiert ihr euch so auf dieser Seite?  Wir sagen dann manchmal auch: Vielleicht erziehen wir hier die Partnerinnen für den Frieden, mit denen man reden kann. Denn zum Beispiel durch das deutsche Bildungssystem lernen diese Mädchen unterschiedliche Standpunkte einzunehmen, lernen diese Mädchen auch die andere Seite zu verstehen.

domradio.de: Können Sie Beispiele nennen?

Dr. Georg Röwekamp: Ein Beispiel dazu von der Abiturprüfung im letzten Jahr, als ein Mädchen eine Präsentation machte, zu der Fragestellung „war eigentlich der Vertrag, den das arabisch-palästinensische Dorf Abu Gosch im Jahre 1948 mit den Israelis geschlossen hat – ihr zerstört unser Dorf nicht, dafür helfen wir euch mit dem Bau einer Straße nach Jerusalem – Vernunft oder Verrat?“. Wenn also Mädchen anfangen sich so mit den eigenen Mythen auseinanderzusetzen und Argumente für beide Standpunkte zu sammeln, dann fangen sie wirklich auch an, die andere Seite verstehen zu können. Ein zweites Beispiel: Wir hatten vor Kurzem ein Paar hier, des „Parents Circle-Families Forum“. Ein israelischer Vater, der bei einem Terroranschlag seine Tochter verloren hat und eine palästinensische Frau, die durch einen Zufall ihren Mann verloren hat, der als vermeintlicher Terrorist erschossen worden ist. Diese beiden waren gemeinsam da und haben erzählt wie dieser Schmerz ihnen deutlich gemacht hat, so kann es nicht weitergehen. Sie haben sich gegenseitig als Bruder und Schwester angesprochen, weil sie gesagt haben, du verstehst eigentlich viel mehr von mir als viele Leute in meiner Familie. Auch für die Schülerinnen war das für manche das erste Mal, dass sie mit einem Israeli gesprochen haben, der ihr Leid anerkennt, der bereit ist auch ihnen einen Staat zuzugestehen, der sagt, wir müssen einen Weg zueinander finden, sonst geht es nicht. Das war eine überaus beeindruckende Begegnung und konkreter kann Friedenserziehung gar nicht gehen.

domradio.de: Eine Schule - speziell für Mädchen. Warum ist das wichtig?

Dr. Georg Röwekamp: Das hängt mit der Geschichte der Schule zusammen, die Ende des 19. Jahrhunderts von einer deutschen Frau, die aus Jerusalem gekommen ist, gegründet worden ist. Sie hat gesagt, wir müssen einfach versuchen besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen, eben den jungen Frauen, Bildung mitzugeben. Und zu glauben, die jungen Frauen hätten keinen Einfluss auf Entscheidungsprozesse: So manche unserer Schmidt-Girls sind später Parlamentarierin oder Ministerin geworden.

domradio.de: Ihre Schülerinnen wachsen viersprachig auf - Deutsch, Englisch, Arabisch und Hebräisch sind Pflicht. Was hat das mit Erziehung zum Frieden zu tun?

Dr. Georg Röwekamp: Verständnis fängt damit an, dass ich auch die Sprache des anderen spreche, dass ich eine gemeinsame Sprache finde. Denn nur wenn ich das habe, kann ich mich auch über Inhalte, geschweige denn über Gefühle verständigen. Von daher gehören diese ganzen Bildungselemente unmittelbar zusammen.

domradio.de: Warum ist Bildung so ein wichtiges Werkzeug gegen Terror und für Frieden?  

Dr. Georg Röwekamp: Es ist nicht das Allheilmittel. Wenn wir nicht lernen, den anderen zu verstehen und das geht nur, wenn ich eine Kultur der Bildung, eine Kultur der Begegnung schaffe, dann bleibe ich in meinen Stereotypen, Vorurteilen, Mythen behaftet und das war immer schon der Nährboden für Gewalt oder dafür, instrumentalisiert zu werden durch Fanatiker oder Gewalttäter.

Das Gespräch führte Silvia Ochlast


Georg Röwekamp / © Paul Sklorz (KNA)
Georg Röwekamp / © Paul Sklorz ( KNA )
Quelle:
DR