Schnellere Strafverfahren bei Kindesmissbrauch gefordert

Schweigen durchbrechen

Mehr Fachkompetenz und schnellere Jugendschutzverfahren – das fordert die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Wichtig sei auch, Anzeige zu erstatten, um das Schweigen zu durchbrechen.

Gewaltopfer in Deutschland / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Gewaltopfer in Deutschland / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Im Kampf gegen Kindesmissbrauch fordern Experten mehr Fachkompetenz bei Ermittlern und beschleunigte Jugendschutzverfahren. Das geht aus aktuellen Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt werden sollten.

Die Kommission empfiehlt, "regional und fachlich konzentrierte Kompetenzzentren" einzurichten und spricht von Schwerpunktgerichten und Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Zudem müssten die Aus- und Fortbildungen verbessert werden. Wichtig sei auch, Ermittlungs- und Strafverfahren zu beschleunigen, um psychische Belastungen von Betroffenen nicht zu vergrößern.

Lange Verfahren führen zu hoher psychischer Belastung

Ermittlungs- und Strafverfahren im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen dauerten häufig mehrere Jahre, betonen die Fachleute. "Das führt bei Betroffenen zu einer hohen psychischen Belastung. So können sie keine Traumatherapie beginnen, finden keinen Abschluss mit dem Geschehenen und müssen es in ihrer Gedankenwelt permanent aufrechterhalten."

Die Kommission rief auch dazu auf, im Fall von Missbrauch von Kindern und Jugendlichen Strafanzeige zu erstatten. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurde 2017 in rund 13.000 Fällen Anzeige erstattet.

Die Zahl von nicht angezeigten Taten im Dunkelfeld liege aber weitaus höher, so die Kommission. Schätzungen gingen von einem Anteil von etwa 80 Prozent aus. Das spiegele sich auch in den Berichten der Betroffenen wider, die sich bisher an die Kommission gewandt hätten.

Gesellschaftliches Bewusstsein für sexuelle Gewalt fördern

Betroffene gingen häufig davon aus, dass ihnen vonseiten der Ermittler "unsensibel" begegnet und ihnen möglicherweise nicht geglaubt werde. Zudem hätten sie den Eindruck, dass die Verfahren gegen Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit eingestellt würden, sie eine milde Strafe oder einen Freispruch bekämen, erklärte die Kommission.

"Der Wert einer Strafanzeige liegt nicht nur in einer Verurteilung der Täter oder Täterinnen. Durch sie wird auch das Schweigen durchbrochen", betonte die Vorsitzende der Kommission, Sabine Andresen. "Um Kindern und Jugendlichen, aber auch mittlerweile erwachsenen Betroffenen das Sprechen zu ermöglichen, brauchen sie ebenfalls Unterstützung in Ermittlungs- und Strafverfahren."

Kommissionsmitglied Brigitte Tilmann erklärte zudem, dass sich eine Strafanzeige auf die Kriminalstatistik auswirke. "Je aussagekräftiger diese ist, umso stärker fördert sie ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Dimension von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen."

Die jetzt von der Kommission vorgelegten "Empfehlungen zur Verbesserung der Situation von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend betroffener Menschen in Ermittlungs- und Strafverfahren" schlagen darüber hinaus mehr Vernetzung vor. Auch solle unter anderen eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet werden, "die verbindliche Standards für die Glaubhaftigkeitsprüfung am jeweiligen Stand der Forschung formuliert und regelmäßig überprüft".


Quelle:
KNA
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