Schöpfungsexperte erklärt den Umgang mit Klimafolgen

Nicht nur eine Frage der Anpassung

Dürre in Griechenland, Hochwasser in Frankreich und Süddeutschland - die Anzeichen für den Klimawandel sind deutlich spürbar. Deswegen ist ein neues Gesetzt in Kraft getreten. Christian Weingarten erklärt, was Klimaanpassung bedeutet.

Düsseldorf: Die Erde am Rheinufer ist durch die Hitze aufgeplatzt / © Federico Gambarini (dpa)
Düsseldorf: Die Erde am Rheinufer ist durch die Hitze aufgeplatzt / © Federico Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Woran erkennt man, dass der Klimawandel zurzeit spürbar ist?

Christian Weingarten (Erzbistum Köln)

Christian Weingarten (Leiter des Fachbereichs Schöpfungsverantwortung im Erzbistum Köln): Das erkennt man vor allem an den ganzen Extremwetterereignissen, die jetzt gekommen sind und den ganzen Wassermassen, die wir in den letzten Monaten erlebt haben. 

Das kommt daher, dass die Luft wärmer ist und vom Meer mehr Wasser in der Luft aufgenommen werden kann. Das kommt irgendwann wieder runter. Im Moment passiert das in der Schweiz und in Süddeutschland. Dort regnet es dann viel mehr als normal. 

Gleichzeitig gibt aber Dürren, die wir in den letzten drei Jahren auch zwei Mal erlebt haben, bei denen es unheimlich trocken ist und gar kein Regen mehr nachkommt. Es sind diese beiden extremen Pole. Auf der einen Seite ist es viel zu nass, auf der anderen Seite ist es viel zu trocken.

Christian Weingarten

"Es ist ein Anzeichen dafür, dass sich etwas so stark verändert, das wir es gar nicht in Gebäude einplanen."

DOMRADIO.DE: Gibt es Ereignisse, bei denen man anfängt zu denken, dass es Zeit ist, etwas zu tun? Stichwort Fußball-EM?

Weingarten: Ich saß beim Spiel zwischen Deutschland und Dänemark vorm Bildschirm und dachte, da kommen in Dortmund Wassermassen runter, die gezeigt haben, dass Gebäude nicht mehr für das, was an Regen kommt, ausgelegt sind. In dem Stadion sah man, was für Fontänen runtergeschossen sind. Man legt Dächer so aus, dass man sagt, in 100 Jahren kommt nie so viel Regen auf einem Schlag, dass so etwas passiert. Trotzdem ist es passiert. 

Unwetter in Dortmund beim EM-Fußballspiel Deutschland gegen Dänemark / © Federico Gambarini (dpa)
Unwetter in Dortmund beim EM-Fußballspiel Deutschland gegen Dänemark / © Federico Gambarini ( dpa )

Es ist ein Anzeichen dafür, dass sich etwas so stark verändert, das wir es gar nicht in Gebäude einplanen. In der Situation war es ein Stadion. In anderen Orten sind es Straßen, die weggespült werden oder Häuser, deren Keller volllaufen. Man merkt, es verändert sich viel und der Schaden wird immer größer.

Christian Weingarten

 "Gerade wir als Kirche sollten noch mal sagen, dass wir etwas machen müssen, sonst wird auch das soziale Gefälle immer größer." 

DOMRADIO.DE: Es gibt immer noch Menschen, auch hohe Politiker, die behaupten, dass es den Klimawandel nicht gebe. Das Wetter habe sich schon immer verändert. Kann man das noch ernsthaft behaupten?

Weingarten: Eigentlich nicht. Gerade in politischen Diskussionen und populistischen Diskussionen kommen diese Argumente immer wieder. Gerade wir als Kirche sollten noch mal sagen, dass wir etwas machen müssen, sonst wird auch das soziale Gefälle immer größer. Denn gerade die Ärmeren leiden stark unter den Veränderungen des Klimas. 

Letztendlich hat es die Wissenschaft schon lange vorhergesehen. Trockenheit und Starkregen, was vor Jahren vorhergesehen wurde, treten jetzt ein. Letztendlich sind es physikalische Phänomene, die wir jetzt beobachten.

Christian Weingarten

"In der Stadt zum Beispiel ist die Klimaanpassung anders als auf dem Land."

DOMRADIO.DE: Am 1. Juli ist das Klimaanpassungsgesetz in Kraft gesetzt wurden. Damit werden nachhaltige und integrierte Klimaanpassungsprozesse vor Ort zum Beispiel mit der Förderung von Klimaanpassungsmanagerinnen und -managern unterstützt. Was ist deren Aufgabe?

Weingarten: Die müssen vor Ort gucken, wo sich im Gebiet das Klima verändert. In der Stadt zum Beispiel ist die Klimaanpassung anders als auf dem Land oder dort, wo Flüsse oder keine Flüsse sind. 

In Städten gibt es beispielsweise immer mehr Hitzeinseln. Deswegen stellt sich die Frage, wie vor allem ältere oder vulnerable Personengruppen Orte finden, an denen es kühl ist. Das sind Orte, bei denen sich das Leben für Menschen in Hitzesommern vereinfacht.

Auf der anderen Seite gebe ich mal ein Beispiel aus Dortmund: Dort hat in den letzten Jahrhunderten relativ viel Wasser dafür gesorgt, dass man es möglichst schnell aus dem Wald wieder raus führt. Jetzt wird geguckt, dass man das Wasser in den Wäldern halten kann, sodass Flächen manchmal auch komplett unter Wasser stehen. Damit kann das Wasser dort versickern, läuft nicht in die Dörfer und überflutet dort nicht die Keller. 

Das sind ganz unterschiedliche Themen, die solche Klimawandelanpassungsmanager und - managerinnen angehen und dafür Lösungen für suchen müssen.

Christian Weingarten

"Wenn wir über Klimaschutz und die Folgen des Klimawandels reden, dann müssen wir in der Debatte in unserem Fachbereich Lösungen präsentieren."

DOMRADIO.DE: Sind Sie im kirchlichen Rahmen ein Klimaanpassungsmanager?

Weingarten: Ich würde sagen, ja. Ich glaube im Bereich Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Umweltschutz ist alles drin, auch die Frage nach Anpassung. Es überschneidet sich irgendwie alles. 

Wenn wir über Klimaschutz und die Folgen des Klimawandels reden, dann müssen wir in der Debatte in unserem Fachbereich Lösungen präsentieren, was wir machen können, um uns an Hitze und Wasser anzupassen.

Christian Weingarten

"Es gibt viele, gute, naturbasierte Lösungen, sowohl in der Landwirtschaft als auch in Städten, die gleichzeitig für den Klimaschutz gut sind."

DOMRADIO.DE: Es gibt das Pariser Abkommen, das Kyoto-Protokoll und überall heißt es, Klimaschutz müsse vorangetrieben werden. Zugleich bedarf es dieser Klimaanpassungen. Was kann man tun?

Weingarten: Bezüglich Hitze zum Beispiel kann man sich fragen, wie Wasserflächen in Städten geschafft werden können. Wenn Wasser verdunstet, dann führt das meist zu einem Kühleffekt. Genauso sind Bäume oder Pflanzen in Städten relativ gut, weil dort viel Wasser verdunstet und wir dadurch einen Kühleffekt haben. 

Man kann an Temperaturmessungen sehen, dass es in Stadtgebieten, wo viel Grün ist, auch kühler ist. Das führt dazu, dass wir es als Menschen dort besser aushalten können. Gleichzeitig kann man in der Landwirtschaft gucken, was man anpassen kann, damit zum Beispiel Starkregen bei sogenannten Bodenerosionen nicht so viel Erde wegspült.

Das ist wiederum schlecht für die Landwirtin und den Landwirt. Da kann man zum Beispiel über die Anpflanzung von Bäumen oder anderen Pflanzen verhindern, dass Wasser so stark den Hang runterläuft, dass die Erde mitgenommen wird. 

Es gibt viele gute, naturbasierte Lösungen, sowohl in der Landwirtschaft als auch in Städten, die gleichzeitig für den Klimaschutz gut sind, weil sie CO2 in Pflanzen binden.

 Miscanthus Pflanze / © Mei Yi (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Gibt es eine Pflanze, die besonders gut ist, wenn jede Menge Wasser angeschwommen kommt und das aufnehmen kann?

Weingarten: Es gibt in Bonn ein Beispiel, die sogenannte Miscanthus Pflanze. Die wächst relativ schnell und schafft es, aufgrund der Wurzeln im Boden wie ein Schwamm relativ viel Wasser aufzunehmen. 

Wenn das oben am Hang gepflanzt wird, dann verhindert das erst mal, dass das Wasser den Hang runterläuft, weil es oben wie ein Wall zum Schutz dient, aber gleichzeitig Wasser speichert. Das ist ein gutes Beispiel, bei dem man sehen kann, dass man Vorteile hat, wenn man etwas pflanzt.

Christian Weingarten

"Wir müssen uns zwingend anpassen, sonst haben wir ein Problem."

DOMRADIO.DE: Klimaaktivisten sagen, dass es eine Illusion wäre zu denken, dass der unzureichende Klimaschutz der Regierung durch mehr Anpassung ausgeglichen werden könnte. Wie würden Sie das beurteilen?

Weingarten: Ich glaube, wir brauchen beides. Wir sehen, dass sich das Klima verändert und müssen uns zwingend anpassen, sonst haben wir ein Problem. Gleichzeitig dürfen wir den Klimaschutz und den Umweltschutz nicht vergessen, weil das fast wichtiger ist. 

Wenn wir uns dem nicht mehr widmen, dann können wir uns irgendwann gar nicht mehr an das Klima anpassen. Dann haben wir ein großes Problem als Menschheit und als Natur.

Christian Weingarten

Sonnenenergie auf Kirchendächern, kaum Fleisch in katholischen Kantinen, Flüge für Bischöfe nur in Notfällen. Christian Weingarten, Umweltbeauftragter des Erzbistums Köln, will, dass endlich gehandelt wird.

Christian Weingarten / © Angela Krumpen  (ak)
Christian Weingarten / © Angela Krumpen ( ak )
Quelle:
DR