"Ich schließe nicht aus, dass wir zukünftig den Bischöfen die Geldzahlungen verweigern, sollte sich zu wenig bewegen", sagte die Präsidentin der Dachorganisation der römisch-katholischen Landeskirchen, Renata Asal-Steger, im Interview der "Sonntagszeitung". Grundlegende Strukturen der Kirche müssten dringend geändert werden, um Missbrauch im kirchlichen Kontext zu verhindern.
Druck mit Kirchensteuern
Würden etwa alle zehn Kantone, die dem Bistum Basel einen Teil der Einnahmen aus der Kirchensteuer abliefern, bei diesem Boykott mitmachen, fehlten dem Bischof 3,8 Millionen Franken (vier Millionen Euro), sagte Asal-Steger: "Er könnte dadurch seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen."
Die RKZ-Präsidentin forderte Änderungen an grundlegenden Strukturen, die Missbrauchsfälle ermöglichten – unter anderem mehr Frauenbeteiligung und Gewaltenteilung im Kirchenrecht sowie Reformen bei der Sexualmoral. Auch sei die Höhe der Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer in der Kirche – der Maximalbetrag liegt bei 20.000 Franken (21.000 Euro) – im europäischen Vergleich "nicht besonders großzügig".
Vatikan ermittelt gegen Bischöfe
Asal-Steger kritisierte weiter, dass die vatikanische Voruntersuchung gegen einige Schweizer Bischöfe in den Händen des Bischofs von Chur liegt. Dass Joseph Bonnemain nun gegen seine Kollegen ermitteln muss, sei "sehr fragwürdig und zeigt, dass die Machtfrage geklärt werden muss", so die RKZ-Präsidentin: "Teilung und Kontrolle der Macht und transparente Verfahren sind unerlässlich."
Asal-Steger fordert zudem die Abschaffung des Pflichtzölibats in der katholischen Kirche: "Wer diese Lebensform für sich richtig findet, soll sie weiter leben dürfen; sie soll aber nicht mehr Pflicht sein für den Priesterberuf." Katholische Geistliche und Ordensangehörige haben in der Schweiz in den vergangenen 70 Jahren mindestens 1.000 Fälle von sexuellem Missbrauch begangen. Das belegte eine am Dienstag veröffentlichte Pilotstudie der Universität Zürich.
Vertuschungsvorwürfe gegen Vorsitz der Bischofskonferenz
Unterdessen gibt es einen weiteren Vorwurf von Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauch gegen den Basler Bischof Felix Gmür. Er soll sich 2011 geweigert haben, einen Fall nach Rom zu melden, wie die Boulevardzeitung "Sonntagsblick" berichtet. Gmür berief sich demnach auf eine Verjährung des Vorfalls aus dem Jahr 1982. Es ist dies der zweite Vertuschungsvorwurf innerhalb eines Monats gegen den Vorsitzenden der Schweizer Bischofskonferenz.
In dem aktuellen Fall ist der beschuldigte Geistliche im Bistum durchaus prominent. Ein heute 57-jähriger Priester aus Deutschland gibt laut Bericht an, als 17-jähriger Schutzbefohlener von dem Basler Priester sexuell missbraucht worden zu sein. Er habe Gmür bereits 2010 aufgefordert, eine kirchenrechtliche Untersuchung einzuleiten und den Fall nach Rom zu melden. Da er zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Missbrauchs minderjährig war, wäre die Meldung in Rom verpflichtend gewesen. Gmür sei aber nicht tätig geworden.
Priester immer noch tätig
Der Zeitung liege ein Brief von 2002 vor, in dem der beschuldigte Geistliche den homosexuellen Kontakt aus dem Jahr 1982 einräume. Es habe sich allerdings keineswegs um eine Vergewaltigung gehandelt. Seither lägen mehrere weitere Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen den prominenten Priester vor. Dieser sei aber bis heute weiter als Pfarrer im Bistum tätig.
Mit Hilfe einer Kirchenrechtlerin habe sich der deutsche Priester schließlich selbst nach Rom gewandt, heißt es weiter. Und er habe 2015 erfahren, dass Bischof Gmür den möglichen Täter gegenüber der für Missbrauchsbekämpfung zuständigen Glaubenskongregation geschützt habe; er habe die Behörde auf die Reue des Beschuldigten hingewiesen und so einer möglichen Bestrafung vorgebeugt.
Das Bistum Basel reagierte mit einer Erklärung auf die Vorwürfe im "SonntagsBlick". Eine Bistumssprecherin wies sie als nachweislich falsch zurück und schreibt: "Nach Klärung der Zuständigkeit wurden sämtliche Akten von Bischof Felix Gmür an die Glaubenskongregation weitergeleitet". Unklar bleibt, wann dies der Fall war.