Drei Männer, Mitte vierzig, hocken vor der Berner Heiliggeistkirche. Sie schlürfen Bier, rauchen, diskutieren. Es ist ein warmer Sommerabend in der Schweizer Hauptstadt. Urs, so nennt sich einer der Männer, sucht schon seit zwei Jahren einen Job. Er war Koch, wurde entlassen. "Mit jedem Tag ohne Arbeit werden meine Chancen kleiner", sagt er und blinzelt in die Sonne. Was hält er von der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens? "Ja, davon habe ich gehört, das gefällt mir", meint Urs und grinst.
Nicht nur der arbeitslose Urs findet den Plan des bedingungslosen Grundeinkommens gut. Das Konzept, das der Basler Unternehmer Daniel Häni in der Schweiz einführen will, wird immer beliebter. Eine Volksabstimmung ist so gut wie sicher - wenn auch erst in drei Jahren. Den umstrittenen Plänen zufolge soll jeder Erwachsene 2.500 Schweizer Franken (rund 2.000 Euro) erhalten - egal ob er die Schweizer Nationalität hat oder eine andere. Pro Kind soll der Staat rund 650 Franken (530 Euro) auf das Konto der Eltern überweisen.
Bereits mehr als 130.000 Unterstützer
Ein Beispiel: Verdient ein Bankangestellter bisher 7.500 Franken, so hat er diesen Betrag auch künftig zur Verfügung. Jedoch kommen die ersten 2.500 Franken vom Staat. Die restlichen 5.000 Franken zahlt weiter der Arbeitgeber, also in diesem Fall die Bank. In der Folge käme eine riesige Umverteilungsmaschine in Gang. Zwar würde die zu zahlende Lohnsumme für die Firmen schrumpfen. Aber: Der Staat müsste über höhere Steuern das Geld für das Grundeinkommen erst einmal hereinholen - auch bei den Firmen.
Das Grundeinkommen soll andere staatliche Zahlungen wie Arbeitslosengeld ersetzen, nur individuell höhere Ansprüche als das Grundeinkommen bleiben bestehen. «Das Grundeinkommen ist keine Bezahlung, kein Lohn. Es ist an keine Gegenleistung geknüpft», erläutert Häni. Das Grundeinkommen versteht er vielmehr als ein "wirtschaftliches Bürgerrecht, dass ein menschenwürdiges Leben" ermöglicht. Falls die Schweizer an der Urne ja sagen, dürften sie ein Signal an andere europäische Länder aussenden: Auch in Deutschland ist die Diskussion über ein Grundeinkommen schon im Gange.
Häni und seine Helfer begannen im April 2012 mit dem Sammeln von Unterschriften für eine Volksabstimmung. Gesetzlich vorgeschrieben sind 100.000 Signaturen, mehr als 130.000 Schweizer haben den Angaben zufolge ihre Unterstützung schriftlich zugesichert. Die vielen Unterschriften lassen Häni ebenso auf einen Erfolg hoffen wie die kapitalismuskritische Stimmung seiner Landsleute. Zuletzt hatten sich die Schweizer mit klarer Mehrheit für die sogenannte Abzockerinitiative ausgesprochen: Seit dem Ja des Volkes sind üppige Antritts- und Abschiedszahlungen für Manager von Aktiengesellschaften verboten.
Und wie finanzieren?
Wirtschaftsverbände und die Regierung versuchen aber schon jetzt, den Befürwortern des Grundeinkommens den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine solche Zahlung "widerspricht in wesentlichen Punkten den Werten, die unser System der sozialen Sicherheit heute legitimieren", betont Justizministerin Simonetta Sommaruga von den Sozialdemokraten.
Zupackender formuliert der Präsident der wirtschaftsnahen FDP, Philipp Müller, sein Missfallen. "Jeder Anreiz zum Arbeiten fällt weg", wetterte er in einem Streitgespräch mit Häni in der "Aargauer Zeitung". Die Folge, so befürchtet Müller, wäre eine Schweiz, in der sich zu viele Menschen in der sozialen Hängematte räkeln.
Wie soll der Staat das Grundeinkommen finanzieren? Jährlich könnten Leistungen von fast 200 Milliarden Franken fällig werden. "Ein Staat kann, zumindest langfristig, nur das verteilen, was er zuvor via Steuern und anderen Abgaben eingenommen hat", unterstreicht der Zuger FDP-Politiker Adrian Andermatt. Er warnt vor massiven Steuererhöhungen, um das Grundeinkommen zu realisieren. Und was sagen die Befürworter zur Finanzierung ihrer Idee? Ihre Antwort: Das müsse man später entscheiden.