Schwere Schäden in ganz Zentral-China

Tausende vermisst

Nach den verheerenden Erdbeben in China haben Soldaten die Suche nach Verschütteten in dem Katastrophengebiet fortgesetzt. Es wurde befürchtet, dass die Zahl der Toten, die offiziell bislang noch bei 12.000 liegt, noch stark steigen könnte, da tausende Menschen noch vermisst werden. Das Beben richtete am Montag in ganz Zentralchina schwere Schäden an. Am schwersten betroffen ist die Provinz Sichuan. Zehntausende Menschen, die durch das Beben obdachlos wurde, verbrachten die Nacht im Freien. domradio sprach mit Beate Engelen von der Amity Foundation in Hong Kong.

 (DR)

Hunderttausende sind von dem Unglück betroffen, berichtet Beate Engelen. Das Mitgefühl der Chinesen sei sehr groß, sie brächten Geldspenden direkt in das Büro der Hilfsorganisation. Dringend benötigt würden vor allem Unterkünfte. Es sei aber schwierig überhaupt genug Zelte und Planen zu bekommen.

Unter dem Motto "Die Einheit des Willens ist eine unbezwingbare Kraft - gegen das Erdbeben kämpfen" berichtet das Staatsfernsehen nahezu nonstop über die Rettungsarbeiten. Die kommunistische Führung in Peking steht rund 80 Tage vor den Olympischen Spielen unter Druck. Die Katastrophenhelfer und Krisenmanager arbeiten auf Hochtouren.

Nur wenige Helfer im Epizentrum
Eine Reporterin sagt, sie sei verzweifelt. In gelber Regenjacke steht sie am Dienstag in der Stadt Dujiangyan, rund 14 Kilometer von Wenchuan, Epizentrum des Bebens, entfernt und berichtet in einer Live-Schaltung. Hinter ihr sieht man eingestürzte Gebäude und ratlose Menschen. Wegen der starken Regenfälle hätten es bisher nur wenige Soldaten und Retter nach Wenchuan geschafft, sagt sie. Es sei ein Wettlauf mit der Zeit.

Die chinesische Führung will dieses Mal beweisen, dass sie die Krise schnell und effizient meistern kann. Als Ende Januar ein Schneesturm die Volksrepublik ins Chaos stürzte, legten kritische Stimmen im In- und Ausland Peking ein zögerliches und wenig transparentes Vorgehen zur Last. Auch die Inflationsrate von über acht Prozent und die kaum abgeebbten Proteste wegen Tibet setzen Peking unter hohen Druck. Zudem soll nichts die Austragung der Olympischen Spiele im Sommer überschatten. Ausgerechnet 88 Tage vor Beginn der Wettkämpfe am 8. August ereilte China das Erdbeben. Die Zahl 8 gilt eigentlich als Glückzahl.

Dennoch wird an der Katastrophe nichts beschönigt. Im Zuge der offenen Informationspolitik aktualisiert Peking ständig die Todeszahlen des Erdbebens - am Dienstagabend (Ortszeit) waren es schon über 12.000. Zehntausende Soldaten und Militärpolizisten wurden in die Region entsandt. Sie sollen vor allem Zugänge in die Krisengebiete freiräumen.

Sicherheit der Fabriken gefährdet
Rund anderthalb Stunden stellten sich Verantwortliche aus dem Ministerium für zivile Angelegenheiten und dem Erdbeben-Büro den Fragen in- und ausländischer Journalisten. Das Umweltministerium will in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden Kernkraftwerke und andere gefährliche Anlagen wie Chemie- und Zementfabriken auf ihre Sicherheit überprüfen.

Premierminister Wen Jiabao flog noch am Abend des Unglücks in die Krisenregion. Medienwirksam packte er kurz mit an, und sprach trotzdem offene Worte. Die Lage sei schlimmer als gedacht, sagte er. Und man brauche mehr Helfer.

Auch gegenüber ausländischer Unterstützung zeigt sich Peking offen. Der Sprecher des Außenministeriums, Qin Gang, bedankte sich für Hilfsangebote und signalisierte baldige Antworten. Aus dem Exil im indischen Dharamsala lobte sogar der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, die schnellen Rettungsaktionen.

Bürgerjournalisten
Schneller als die Behörden reagierte nur Chinas über 200 Millionen Nutzer zählende Internetgemeinde. Bereits anderthalb Stunden nach dem Beben hatten User aus nahezu allen Landesteilen im Video-Portal der Internetplattform Sina Handy-Clips eingestellt.

Ein Student mit dem Nutzernamen "nobu 115" der Universität in Chengdu filmte einen unter dem Tisch verkrochenen Kommilitonen, Hilfeschreie und herunterfallende Becher und Bücher. Die als "Bürgerjournalisten" bezeichneten Blogger sind mit ihren schnellen Augenzeugenberichten in China längst ein kritisches Korrektiv zu den Informationen der Behörden.

Dalai Lama betet für die Opfer
Der Dalai Lama (72) hat den Opfern des schweren Erdbebens in China sein Mitgefühl ausgesprochen. "Ich bete für die, die im Beben ihr Leben verloren haben und die verletzt wurden", erklärte das geistliche Oberhaupt der Tibeter am Dienstag im indischen Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung. Er sei tief betroffen, dass in Sichuan so viele Menschen starben oder verletzt wurden.