KNA: 2015 haben in Burkina Faso die ersten wirklich freien Wahlen stattgefunden. Hat die Aufbruchsstimmung angehalten?
Schwester Anne Beatrice Faye: Ja, das hat sie. Die Freiheit, die wir heute in Burkina Faso genießen, haben sich die Menschen selbst erkämpft. Kurz vor den Wahlen 2015 hat es einen Putsch gegeben, der alles noch einmal hätte infrage stellen können. Aber die Putschisten hatten keinen Rückhalt in der Bevölkerung und mussten aufgeben. Was die Menschen damals erreicht haben, wollen sie nicht mehr aufgeben.
KNA: Was sind heute die drängendsten Probleme in Burkina Faso?
Faye: Es gibt da drei zentrale Problemfelder: die Armut, die Frauen und die Jugend. Das gilt für viele afrikanische Länder. Nur sind die Probleme in Burkina Faso besonders stark ausgeprägt. Das Land ist nicht besonders begünstigt von der Natur. Die Trockenzeit dauert neun Monate, und Burkina hat keinen Zugang zum Meer. Insofern ist das Land in starkem Maße abhängig von den Ländern, die es umgeben.
KNA: Sie selbst stammen aus dem Senegal. Warum arbeiten Sie heute in Burkina Faso?
Faye: Ich bin Mitglied im Orden der "Schwestern Unserer Lieben Frau von der Unbefleckten Empfängnis von Castres". Wir engagieren uns seit jeher stark im Bereich Bildung. Vor ein paar Jahren hat uns der Bischof von Koupela nach Burkina Faso gerufen, damit wir in Pouytenga ein Gymnasium aufbauen. Diese Schule leite ich. Wir haben damals bei null angefangen, und die Schule dann Klasse um Klasse weiterentwickelt. Dieses Jahr bereiten sich die ersten Schüler auf das Abitur vor. Das ist ein toller Erfolg.
KNA: Sie leiten aber nicht nur diese Schule, sondern sind auch stark in der Arbeit mit Frauen engagiert. Mit welchen Problemen sind die Frauen in Burkina Faso konfrontiert?
Faye: Das Grundproblem, das wir lösen müssen, ist die fehlende Bildung. Viele Eltern schicken nur ihre Söhne auf die Schule. Die Mädchen werden darauf vorbereitet, einen Haushalt zu führen, und dann möglichst schnell verheiratet. So hat man einen hungrigen Mund weniger zu stopfen. Das alles führt dazu, dass viele Frauen in Burkina Faso noch immer Analphabeten sind. Und vom Analphabetismus führt ein direkter Weg in die Armut.
KNA: Und wie begegnen Sie diesen Problemen?
Faye: Wir sind auf verschiedenen Feldern aktiv. Da ist zum einen die Gesundheitsversorgung. Viele Frauen in ländlichen Gebieten sind weitgehend abgeschnitten von medizinischer Versorgung, weshalb etwa die Sterblichkeit bei der Geburt sehr hoch ist. Um hier Abhilfe zu schaffen, bauen wir in der Region ein Gesundheitszentrum auf. Außerdem organisieren wir Frauengruppen mit dem Ziel die Frauen gesellschaftlich und finanziell unabhängiger zu machen. Dieses Angebot wird begeistert angenommen. Wir haben Gruppen mit bis zu 300 Mitgliedern.
KNA: Was genau wird in diesen Gruppen gemacht?
Faye: Die Aktivitäten erarbeiten wir gemeinsam mit den Frauen. In einer Gruppe etwa stellen wir Seife und "Eau de Javel", ein Reinigungsmittel her. Das ermöglicht uns zugleich, die Frauen für das Thema Hygiene zu sensibilisieren. In einem anderen Ort haben wir ein Webereizentrum aufgebaut. Das Weben ist ein traditionell von Frauen ausgeübtes Handwerk. Aber zur Vermarktung fehlt ihnen das nötige Know-how. In unserem Zentrum bilden wir die Frauen zum einen handwerklich fort, zum anderen zeigen wir ihnen Wege auf, wie sie die Ware gewinnbringend verkaufen können. Dieses Zentrum wird von missio unterstützt, wofür wir natürlich sehr dankbar sind. Unser Ziel aber ist es, die Frauen unabhängig von externer Unterstützung zu machen. Deshalb ermutigen wir sie, die Gewinne anzusparen. Vielleicht können sie dann schon bald einen Mikrokredit aufnehmen.
KNA: Welche Rolle spielt die katholische Kirche in Burkina Faso?
Faye: Die Arbeit der Kirche ist enorm wichtig. Sie engagiert sich auf all den vorhin genannten Problemfeldern. Sie setzt sich etwa auch für Frauen ein, die der Hexerei bezichtigt und aus ihren Dörfern vertrieben werden - ein in Burkina Faso leider noch weit verbreitetes Phänomen. Oder sie unterstützt Frauen, die vor einer Zwangsverheiratung fliehen.
KNA: Welche Zukunftsperspektive hat Burkina Faso Ihrer Meinung nach?
Faye: Auch wenn manches in diesem Land langsamer vorangeht als anderswo - der Weg führt nach oben. Vor allem die jungen Leute - und sie stellen einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung - glauben an die Zukunft des Landes und wollen etwas voranbringen. Ich spüre das jeden Tag in unserer Schule, aber auch in unseren Frauengruppen. In jüngster Zeit haben islamistische Anschläge für Angst gesorgt, aber auch davon wollen sich die Menschen nicht einschüchtern lassen. Diesen Zukunftsglauben bewundere ich sehr.
Das Interview führte Andreas Laska.