Schwester Katharina Ganz sieht Lichtblicke an Weihnachten

"Für mich ist die heilige Familie ein Vorbild"

Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise oder der Vertrauensverlust in die Kirche. Es sind viele Sorgen, die die Menschen in Deutschland über Weihnachten begleiten. Auch Schwester Katharina Ganz blickt nachdenklich auf das Fest.

Sr. Katharina Ganz / © Katharina Gebauer (ak)
Sr. Katharina Ganz / © Katharina Gebauer ( ak )

DOMRADIO.DE: Wie begehen Sie und Ihre Mitschwestern den Heiligabend 2022?

Heilige Familie / © Wolfgang Radtke (KNA)
Heilige Familie / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Sr. Katharina Ganz (Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen): Ich werde unsere 100-jährige Schwester Anna im Alten- und Pflegeheim besuchen und ihr zum Geburtstag gratulieren. Sie hat noch am Ende des Zweiten Weltkriegs Vertreibung und viel Not und Armut erlebt und sagt angesichts der Krisen in unserer Zeit, es gehe ihr aber heute so gut wie nie zuvor.

Anschließend werde ich eine Fraueneinrichtung in Würzburg besuchen. Dort werden wir gemeinsam mit allen, die dort leben, egal ob sie getauft sind, katholisch sind oder woher auch immer sie kommen, Heiligabend feiern.

Dort gibt es dann eine Liturgie und ein schönes Essen. Anschließend gehe ich zurück ins Kloster in die Christmette, wo ich auch Kantorin bin.

DOMRADIO.DE: Die Corona-Krise ist abgeflaut, aber noch nicht überwunden. In der Ukraine herrscht Putins Angriffskrieg mit all seinen Folgen. Damit kam auch die Energie- und Kostenkrise, die uns in fast allen Lebensbereichen betrifft. Zudem steckt die katholische Kirche in einer Vertrauenskrise. Inwieweit werfen diese Krisen ihren Schatten auch auf dieses Weihnachtsfest? Wie nehmen Sie das wahr?

Ganz: Ich komme frisch aus Südafrika zurück, wo ich unsere Schwestern zweieinhalb Wochen lang besucht habe. Dort ist mir aufgefallen, wie sehr sich die Krisen dieser Welt auf den globalen Süden auswirken. Wir hatten dort bis zu zehn Stunden am Tag keinen Strom. Die Menschen haben ihre Arbeit verloren, viele ihr Leben in der Corona-Zeit.

Auch in unserem Land bemerkt man die Krisen. Die Obdachlosigkeit nimmt zu, es klopfen mehr Frauen bei uns mit der Bitte um Schutzraum an als jemals zuvor. Aber mehr betroffen als wir sind die ärmeren Länder im globalen Süden. Und das macht mich schwer nachdenklich.

Sr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen

"Ich denke das gilt auch in unserer Zeit, trotz der vielen Krisen und prekären Nöte Verantwortung übernehmen, dabei bleiben, Menschen nicht alleine lassen"

DOMRADIO.DE: Liegt darin vielleicht auch eine Chance, wieder zum Kern der Weihnachtsbotschaft durchzudringen durch all die Schichten aus Kitsch und Betulichkeit, die wir ja so gekonnt drumherum drapiert haben?

Ganz: Für mich ist die heilige Familie ein Vorbild für das, was Menschen heute erleben, die sich auf die Flucht begeben müssen, die Nöte und Ängste durchleiden. Maria und Josef sind ja arme Menschen. Die Geburt geschieht in einem prekären Umfeld. Der zugige Stall ist, glaube ich, Symbol für viele Unsicherheiten im Leben.

Ich sehe in der Weihnachtsbotschaft eigentlich Lichtblicke, dass wir beieinander bleiben. Josef verlässt Maria nicht, obwohl Maria nicht von ihm schwanger ist. Er ist ein moderner Mann, ein moderner Vater, der Verantwortung übernimmt. Ich denke, das gilt auch in unserer Zeit, trotz der vielen Krisen und prekären Nöte, Verantwortung zu übernehmen, dabei zu bleiben, Menschen nicht alleine zu lassen.

Sr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen

"Das macht mir ehrlich gesagt Mut, unabhängig von dem, was der Vatikan sagt"

DOMRADIO.DE: Sie gehören zu denjenigen, die sich auf dem Synodalen Weg für einen echten Wandel in der katholischen Kirche einsetzen und auch für die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern. Aus Rom kommen dazu immer wieder entmutigende Ansagen. Können diese Ihre Weihnachtsfreude trüben?

Ganz: Mich hat sehr gefreut, dass in dem Arbeitsdokument, das jetzt für die kontinentale Phase des weltweiten synodalen Prozesses geschrieben worden ist, aus vielen Ortskirchen die Frauenfrage als ein drängendes Problem unserer Weltkirche angemahnt wird.

Also nicht nur die deutsche Kirche sagt, dass die Zukunftsfähigkeit unserer Kirche daran hängt, welche Rolle Frauen in der Kirche spielen, sondern kommt das aus allen Teilen der Welt. Und das macht mir ehrlich gesagt Mut, unabhängig von dem, was der Vatikan sagt.

DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Weihnachtsbotschaft für dieses Jahr?

Ganz: Die Weihnachtsbotschaft ist "Immanuel - Gott ist mit uns". Und das ist er eben nicht in einer heilen, idyllischen Welt, sondern in dieser Welt, die von Krieg, von Ängsten, von Nöten gezeichnet ist.

In unserem Mutterhausgang steht eine Stele. Da wird das Jesuskind in Kreuzform dargestellt und es wird in den Riss, in die Abgründe dieser Welt hineingeboren. Gott ist Mensch geworden, um mit uns Mensch zu sein, in allem, was uns schier zerreißt, was uns Angst macht, was uns bedroht.

Sich an diesem Gott festzuhalten, kann uns Mut und Hoffnung schenken. Wir sind nicht allein. Das wünsche ich allen in dieser Weihnachtszeit.

Das Interview führte Hilfe Regeniter.

Live: Advent und Weihnachten im Kölner Dom

Neben den Werktagsmessen um 8 Uhr und den Friedensgebeten an Werktagen um 12 Uhr überträgt DOMRADIO.DE im Advent und Weihnachten 2022 folgende Gottesdienste und Konzerte live aus dem Kölner Dom. Flyer zum Download (pdf)

Kapitelsamt am ersten Adventssonntag

27.11.2022 - 10:00

Pontifikalamt zur Eröffnung der Adveniat-Aktion

27.11.2022 - 10:00

Musikalisches Abendgebet

27.11.2022 - 18:00

 © Nicolas Ottersbach (DR)
© Nicolas Ottersbach ( DR )
Quelle:
DR