DOMRADIO.DE: Das Spiel gegen Schweden konnte Deutschland ganz knapp für sich entscheiden. Wenn ich so auf meine Fingernägel gucke, die sind runtergekaut. Wie ist das bei Ihnen?
Schwester Katharina Hartleib (DOMRADIO.DE-"Fußballnonne"): Ich habe ja schon im Vorfeld gesagt, so enge Spiele kann ich gar nicht haben. Und schon gar keine engen Deutschland-Spiele. Ich bin da dermaßen aufgeregt, dass meine Mitschwestern Angst haben, ich würde einen Herzinfarkt kriegen. Und gestern Abend war so ein Spiel. Da habe ich die ganze Zeit gedacht, das kann doch gar nicht sein! Ihr könnt das doch!
DOMRADIO.DE: Das Team hat es aber auch gekonnt und letztendlich den Sieg eingefahren. 0:1 stand es zur Pause, dann kam das schnelle Ausgleichstor direkt nach der Pause. Hätte das Team dann schneller nachgelegt, hätten wir auch nicht so zittern müssen.
Schwester Katharina: In der ersten Hälfte waren die deutschen Spieler genial. Da dachte ich, wunderbar, sie haben die Kurve für sich gekriegt. Und als dann die zweite Halbzeit mit dem Tor begann, habe ich gehofft, dass sie schnell nachlegen. Aber nach diesem Zusammenstoß mit dem Nasenbluten waren sie plötzlich wieder völlig von der Rolle. Das kann doch nicht sein, habe ich gedacht. Denn eigentlich war das Team sehr viel besser eingestellt diesmal. Man merkte, die hatten eine ganz andere Power, die hatten ein ganz anderes Miteinanderspielen und da fehlte dann wirklich nur noch das Tor.
DOMRADIO.DE: Ich fand auch die Mannschaft hat gekämpft, sie wusste, dass nur ein Sieg hilft. Deutschland hat dann Powerplay gespielt auch am Ende das war ja schon großartig.
Schwester Katharina: Das war hervorragend. Ganz bezeichnend fand ich, als bei einem Interview nach dem Spiel Thomas Müller zum Sieg in Unterzahl gratuliert wurde, und Thomas Müller überrascht antwortete: Ach, stimmt ja, wir waren in Unterzahl, das hat man überhaupt nicht gemerkt. Aber das ist ja oft so: Wenn nur noch zehn Spieler im Team sind, dann sind die verbliebenden Spieler so drin, dass sie wirklich für den einen mitspielen.
DOMRADIO.DE: Sie haben nach der Pleite gegen Mexiko kritisiert, dass wohl nicht jeder im Team wusste, um was es geht. Hat Sie die Körpersprache gestern überzeugt?
Schwester Katharina: Das war komplett anders. Es ist mir zwar unerklärlich, wie man das bei dem Auftaktspiel einer WM nicht wissen oder nicht umsetzen kann. Aber gestern merkte man, das ist eine andere Mannschaft mit einem anderen Bewusstsein. Und es gab auch eine andere Aufstellung. Mich hat schon sehr erstaunt, dass Jogi Löw endlich mal Mesut Özil draußen gelassen hat.
Es war ganz anders. Und deswegen haben wir uns heute Morgen im Konvent nochmal darüber unterhalten, wie nah zusammen - ich sage es mal katholisch - "Hosianna und kreuzige ihn" liegen. Man hat ja gestern in der Reportage schon den Abgesang auf die Deutschen gehört: Eigentlich ist alles schlecht, sie kriegen es nicht mehr hin und nichts hat gefruchtet. Dann kommt aber dieses Tor und dann ist alles wieder anders. Da habe ich gedacht, so sind wir Menschen. Wir bejubeln, aber wenn es nicht läuft, dann hauen wir sofort drauf. Das kann es auch nicht sein. Das ist vielleicht etwas, worüber man mal nachdenken könnte.
DOMRADIO.DE: Was kann denn die Mannschaft jetzt noch leisten bei der WM? Wie wertvoll ist dieses Last-Minute 2:1 von gestern für den weiteren Verlauf des Wettbewerbs?
Schwester Katharina: Da bin ich mir sehr sicher, dass sie jetzt gemerkt haben, wir können alles erreichen, wenn wir hundert Prozent geben. Ich erinnere mich an das Finale von 2014, da hat Jogi Löw nach dem Sieg gesagt, die Spieler haben alles gegeben und sind weit über ihre Kräfte gegangen, weil sie etwas erreichen wollten, was sie noch nie hatten. Und deswegen hoffe ich, dass er mehr und mehr auch die Jüngeren einsetzt, die das bisher noch nicht hatten. Bei den Weltmeistern habe ich immer so ein bisschen das Gefühl, dass die denken, besser kann es gar nicht mehr werden. Aber die Jungen waren noch nicht Weltmeister.
Das Interview führte Carsten Döpp.