EGrpS - das klingt wie ein militärisches Kürzel, die Buchstabenfolge steht aber für ein bundesweit einmaliges Angebot des Erzbistums München und Freising: Einsatzgruppe Seelsorge für Menschen mit Covid-19. Seit Mitte April 2020 stehen rund 50 Seelsorgerinnen und Seelsorger für Sondereinsätze bereit. Oft muss es schnell gehen, wenn das rund um die Uhr besetzte Telefon klingelt. Meist steht der Tod schon vor der Tür.
Knapp 130 Einsätze, zum Teil bei mehreren Patienten, hat Koordinator Thomas Hagen gezählt: in kleineren Kliniken ohne eigene Seelsorge, auch in Privathaushalten. Im Sommer war eher wenig los. Als die Zahl der belegten Intensivbetten und Todesfälle im Zusammenhang mit der Pandemie vor Weihnachten wieder in die Höhe schnellte, stieg auch die Nachfrage bei der Einsatzgruppe. Der Münchner Pfarrer Daniel Lerch musste vor einer Woche gleich viermal an einem Tag los.
Eigenschutz hat Priorität
Mit Schutzkittel, Maske, Schutzbrille und Handschuhen rücken die Seelsorger aus. Eigenschutz ist wie bei der Ersten Hilfe eine Priorität. Hagen ist stolz, dass sich noch keiner seiner Seelsorger im Einsatz angesteckt hat: Das zeigt, dass die erlernte und abgeprüfte Prozedur beim An- und Ablegen der Schutzkleidung sitzt.
Lerch ist womöglich der einzige, der trotzdem schon eine Infektion durchgemacht hat. Gemerkt hat er es erst bei einem nachträglichen Antikörpertest. Wahrscheinlich, so sagt er, habe er sich das Virus auf seiner früheren Stelle als Klinikpfarrer eingefangen - noch vor dem Start der EGrpS. "Seither bin ich völlig entspannt", sagt er. Von der körpereigenen Abwehrreaktion fühlt er sich geschützt, wenn auch nicht restlos.
Deshalb wartet der 47-Jährige wie viele andere sehnlichst darauf, geimpft zu werden. Er und seine Kollegen müssen sich allerdings noch gedulden. Sie kommen erst an die Reihe, wenn das Klinikpersonal immunisiert wurde, das täglich Kontakt zu Corona-Patienten hat.
Entspannung gibt es, anders als beim Start der EGrpS, auch beim Material. Alle beteiligten Seelsorger haben inzwischen einen ausreichenden Vorrat an Schutzausrüstung gebunkert. Als "viel offener" erlebt Lerch Pflege- und Leitungskräfte von Einrichtungen.
Dankbarkeit und Einsamkeit
"Die sind unglaublich dankbar, dass wir kommen." Anfangs seien die Seelsorger "durchaus kritisch beäugt" worden, erinnert sich der Priester. Ist das richtig, dass die Kirchenleute knappe Ressourcen wie FFP2-Masken verbrauchen? Solche Fragen sind verstummt.
Als positiv empfindet es Lerch außerdem, dass nun öfter Angehörige dabei sind, wenn er gerufen wird. Manchmal können sie auch in das Abschiedsritual eingebunden werden, und sei es, dass sie auf dem Balkon ein Gebet mitsprechen.
Stark zu schaffen macht dem Geistlichen, "dass ich die Leute alleine zurücklassen muss. Ich habe keine Möglichkeit, noch mal Hallo zu sagen und nach dem Rechten zu sehen." Wenigstens kann er sich für seine Besuche heute mehr Zeit nehmen als im vergangenen Frühjahr, da durften sie nicht länger dauern als eine Viertelstunde.
Die Einsamkeit, der Lerch bei seinen Covid-19-Einsätzen begegnet, erlebt er weitaus heftiger als zu Beginn. Wegen der Quarantänemaßnahmen lägen die Patienten in Pflegeheimen, aber auch in Krankenhäusern, teils seit Monaten mutterseelenallein auf ihren Zimmern. Der gewohnte tägliche Besuch des Ehemanns wird schmerzlich vermisst, auch das Wiedersehen mit dem geliebten Haustier. "Ich habe mich noch nie so ohnmächtig gefühlt", sagt der Pfarrer. "Und noch nie habe ich so viele Kerzen für andere angezündet."
Welche Kraft in Riten und Sakramenten steckt, mehr als in Worten, das entdecke er immer mehr. Das Loslassen müsse er dagegen noch besser lernen, räumt der Geistliche ein. "Ich hadere täglich. Und dann sage ich: Jesus, jetzt musst Du ran."