DOMRADIO.DE: Wie ist die Stimmung in Ihrem Haus an diesem 24. Dezember?
Barbara Reible (Pastoralreferentin und Krankenhausseelsorgerin in Köln-Holweide): Die Stimmung ist leider gemischt. Viele Leute sind erkrankt – weniger an Corona als jetzt an diesem Virus, wo Leute Fieber und keine Stimme mehr haben. Ein Teil der Kolleginnen und Kollegen muss immer wieder das auffangen, was die fehlenden Kräfte verursachen. Die sind am Anschlag, weil das Personal wirklich sehr knapp ist.
Es wird versucht, das zu verschieben, was nicht unbedingt sofort gemacht werden muss. Und man versucht, die Leute zu entlasten, die da sind. Da arbeiten die Pflegedienstleitungen rasant dran.
DOMRADIO.DE: Wie gefragt sind Sie denn als Seelsorgerin an einem solchen Tag?
Reible: Ich habe hier Menschen, die nach der Krankenkommunion fragen, weil es ihnen sehr hilft und sie der Kirche immer noch verbunden sind. Aber es gibt natürlich auch ganz andere Sachen, die zu Weihnachten besonders traurig sind: Etwa, wenn ein Elternpaar ein Kind verloren hat und noch einen Segen gesprochen werden soll oder Trauer mit aufgenommen werden soll, weil das Personal nicht die Zeit dazu hat.
DOMRADIO.DE: Dass die Klinikangestellten ganz schön am Anschlag sind, haben Sie eingangs schon erwähnt. Wie können Sie da helfen?
Reible: Es sind diese Tür-und-Angel-Gespräche auf dem Flur: Jemand spricht mich an und sagt: "Ach Mensch, eigentlich würde ich viel lieber zu Hause sein, denn da gibt es auch Kranke bei mir in der Familie. Aber ich sitze jetzt hier und muss Dienst tun."
Oder dass mir die Leute sagen, sie freuen sich, dass sie entweder an den Weihnachtsfeiertagen oder an Sylvester wenigstens einmal etwas Kraft schöpfen können. Sie möchten dann gerne nochmal einen Impuls oder ein Wort von mir. Wir haben extra auch Lichtworte installiert, um etwas Hoffnung weiterzugeben.
DOMRADIO.DE: Weihnachten ist in diesem Jahr überschattet von diversen Krisen: vom Krieg in der Ukraine, von der Energie-, der Klima-, der Preiskrise und dann immer noch Corona. Wie macht sich das bei Ihnen bemerkbar?
Reible: Die Leute sagen mir offen: "Hey, so wirklich Weihnachtsstimmung habe ich eigentlich nicht. Wie kann ich angesichts von Ukrainekrise oder auch steigender Preise überhaupt was weitermachen?" Viele rechnen auch, ob sie über die Runden kommen, wenn sie keine vollen Stellen haben. Das schlägt bei den Leuten sehr aufs Gemüt. Ich versuche trotzdem zu sagen, dass es noch mehr gibt. Aber es ist schwer, damit durchzukommen.
Ein Vorteil für mich ist, dass viele mich schon lange kennen, da ich schon seit 14 Jahren hier im Krankenhaus arbeite. Dann wächst auch das ein oder andere persönliche Gespräch und das ist ein großer Vorteil.
DOMRADIO.DE: Wie versuchen Sie, den Leuten die Botschaft von Weihnachten näherzubringen?
Reible: Einmal in dem Bild der Krippe. Auf der Herbergssuche, die Maria und Josef hinter sich gebracht haben, hatten sie mit allen möglichen Hindernissen zu kämpfen. Also: ganz einfach, ganz pragmatisch im Kleinen anzufangen, sich eine Auszeit zu gönnen, irgendwas Schönes zu machen. Sei es nur zu Hause eine Kerze anzuzünden.
Wir haben einen Gruß der Seelsorge auf die Stationen gebracht, damit die Menschen mitbekommen: Es ist nicht vergessen. Es gibt da noch etwas jenseits der Arbeit. Das Lukasevangelium sagt ja: Es ist das Licht der Welt da. Es ist etwas, was groß werden wird und wir bauen mit daran. Aber es hat schon lange angefangen.
DOMRADIO.DE: Wer anderen Kraft vermitteln möchte und Hoffnung, der braucht die natürlich selbst auch. Wie schöpfen Sie Kraft?
Reible: Ich kann mich mit Kollegen austauschen. Wir machen zum Beispiel die Andacht ökumenisch. Die evangelische Seelsorge und ich stärken uns da, tauschen uns aus und gucken, dass wir immer ansprechbar sind. Das andere ist, dass ich selbst ein Netz in Form von Supervisionen oder Unterstützungen durch gute Freunde habe.
Andererseits freue ich mich, wenn ich zu meinem Vater in Norddeutschland fahren kann. Meine Mutter ist verstorben und er ist allein. Dann können wir zusammen auch etwas feiern und teilen uns das zwischen den Geschwistern etwas auf. Und auch das ist ein Hoffnungszeichen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.