Aus dem Alltag eines Hafenseelsorgers in Südafrika

Seeräuberei und Trockenfisch

Auf hoher See kann das Leben schnell einsam werden. Umso frustrierender ist es für Seefahrer, wenn sie selbst nach der Arbeit wegen der Pandemie nicht an Land gehen dürfen. Hoffnung schenken Hafenseelsorger.

Autor/in:
Markus Schönherr
Rico Talisic, Priester und Hafenseelsorger, und Anthony Erispe, Volontär bei der katholischen Seemannsmission Stella Maris, verteilen Hygieneartikel an eine Schiffscrew von den Philippinen / © Markus Schönherr (KNA)
Rico Talisic, Priester und Hafenseelsorger, und Anthony Erispe, Volontär bei der katholischen Seemannsmission Stella Maris, verteilen Hygieneartikel an eine Schiffscrew von den Philippinen / © Markus Schönherr ( KNA )

Selten bekommen Seelsorger für ihre Dienste weltliche Geschenke zurück. Und wohl noch seltener besteht ein solches Geschenk aus einer Einkaufstüte voller streng duftender Fische, getrocknet an der salzigen Seeluft. Doch Rico Talisic ist ein Ausnahmegeistlicher. Der 41-jährige Priester arbeitet als Seelsorger in der südafrikanischen Hafenmetropole Kapstadt. Dort betreut er Seefahrer, die monatelang von ihren Familien getrennt leben und arbeiten - und leistet auch schon mal seelischen Beistand nach Piratenangriffen.

"Als Ordensleute erhalten wir unseren Auftrag, sobald wir das Ewige Gelübde abgelegt haben", erzählt der von den Philippinen stammende Scalabrini-Missionar. "Noch am Tag meiner Weihe wurde mir mitgeteilt, ich würde nach Kapstadt geschickt, um als Hafenkaplan Seefahrer und Fischer zu betreuen." Talisic kommt gerade von einem Öltanker, der seit Tagen im Kapstädter Hafenbecken ankert. Gemeinsam mit Anthony Erispe (64), einem Freiwilligen im Dienst der katholischen Seemannsmission Stella Maris, geht er weiter zu einem Fischkutter.

Familien seit Wochen nicht gesehen

Die Mannschaft: allesamt junge Männer in T-Shirts, kurzen Hosen und Flipflops, die ältesten von ihnen gerade mal Mitte zwanzig. Sie sind begeistert, als sich der Geistliche in ihrer Heimatsprache Filipino nach ihrem Wohlergehen erkundigt. Talisic beherrscht auch ein paar Brocken Indonesisch. Denn auch von der pazifischen Inselgruppe stammen viele Fischer, unabhängig davon unter welcher Flagge ihr Schiff fährt. Die Sprache sei ein Eisbrecher in der internationalen Seelsorgearbeit, erzählt Talisic.

Hygiene-Kits werden verteilt: Seife, Vitamine, Masken, allesamt Mangelware auf monatelangen Fischerei-Fahrten. Auch für die Zusprache sind die Jugendlichen dankbar. Nicht nur haben sie seit Wochen ihre Familien nicht mehr gesehen; auch sind sie wegen der Covid-19-Pandemie an den Hafen gebunden. Die hübsche Tafelberg-Metropole bleibt Touristen und Einheimischen vorbehalten.

"Auf manchen Schiffen herrschen haarsträubende Arbeitsbedingungen"

Philippinische Crews wie diese bestünden fast ausschließlich aus Katholiken, wissen die Hafenseelsorger aus Erfahrung. Allerdings diene man "allen Seefahrern", unabhängig von deren Glauben. "Wir fragen zwar immer, ob Katholiken an Bord sind, aber das hängt vor allem mit der Verteilung von Rosenkränzen zusammen", sagt Erispe, der vor seiner Rente selbst jahrzehntelang als Fischer zur See fuhr.

Am herausforderndsten sei die Arbeit für die Seelsorger, wenn es an Bord zu Missbräuchen komme, erzählt Pfarrer Talisic: "Auf manchen Schiffen herrschen haarsträubende Arbeitsbedingungen." Mal wird Crew-Mitgliedern die medizinische Behandlung vorenthalten; mal sind es Gehälter, die nicht ausgezahlt werden. Allein dieses Jahr half Talisic 93 Seeleuten, an ihre Heuer heranzukommen. "Wenn ich Beschwerden von einer Crew höre, wende ich mich an das jeweilige Konsulat; ich erkläre die Situation, und die Verantwortlichen führen eine Kontrolle durch."

Auswirkungen der Pandemie

Die Corona-Pandemie hat die Lage etlicher Seefahrer verschärft. So hätten gestrichene Flüge, Lockdowns und Geldengpässe dazu geführt, dass Arbeiter nach Ablauf ihres Arbeitsvertrags oft unfreiwillig auf den Schiffen weiterarbeiten mussten. "Sie warten auf ihre Heimreise - nicht für einen Monat, sondern oft für drei oder vier", so Talisic.

Weiter geht es entlang des Hafenkais. Für die nächste Mannschaft, erneut Fischer, haben die beiden Männer Kalender für 2022 und einen WLAN-Sender dabei. Dank diesem können die Schiffsarbeiter erstmals seit Wochen wieder ihre Frauen und Kinder anrufen.

Auch um Traumata wird sich gekümmert

Neben Alltagssorgen kümmern sich die Hafenseelsorger auch um eine Vielzahl von Traumata; etwa wenn nach einer Woche ein blinder Passagier an Bord auftaucht oder Piraten angreifen. Moderne Seeräuberei sei kein Seemannsgarn, erzählt Volontär Erispe: "Manche Schiffe tragen sogar Stacheldrahtzaun um den Rumpf. Beim Anlegen muss dieser erst mal entfernt werden, um Platz für die Landungsbrücke zu schaffen."

Auch komme es immer wieder zu Todesfällen. Erst im April stürzte ein Fischer in das Hafenbecken und ertrank. Die Crew habe enorme Sorge gehabt; jeder könnte der nächste sein, erinnert sich Talisic. "Ich besuchte sie, um das Schiff zu segnen und mit ihnen zu beten. In solchen Fällen ist es wichtig, dass ein Hafenseelsorger sie besucht und sie den nötigen Beistand bekommen." Der Priester leiht einsamen Seefahrern ein offenes Ohr und feiert mit ihnen den Gottesdienst. Eine Taufe, sagt der Geistliche und lacht, habe er noch nie am Schiffsdeck vorgenommen. Doch wenn es die Situation erfordere, sei er sogar darauf vorbereitet.


Quelle:
KNA
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