Verheiratete Priester in der katholischen Kirche? Gibt es doch längst. Und nicht nur in den byzantinischen Ostkirchen von der Slowakei bis in den Libanon, die mit dem Papst in Rom verbunden ("uniert") sind. Seit zehn Jahren, dem 15. Januar 2011, gibt es im angelsächsischen Sprachraum bistumsähnliche Strukturen für frühere Anglikaner, die zur katholischen Kirche übergetreten sind. Ihre Bischöfe und Pfarrer erhielten danach zumeist die katholische Priesterweihe - und blieben, wo sie es bereits waren, auch verheiratet.
Schwierige Phase im anglikanisch-katholischen Dialog
Die Initiative ergriff der damalige Papst Benedikt XVI. (2005-2013) in einer schwierigen ökumenischen Phase. Während Anglikaner und Katholiken im theologischen Dialog der vorausgegangenen Jahrzehnte immer mehr Gemeinsamkeiten ausgemacht hatten, wurde innerhalb der anglikanischen Kirche intensiv um eine heikle Frage gerungen.
Bereits die Freigabe des Frauenpriestertums hatte in den 1990er Jahren für eine Abwanderungswelle konservativer Anglikaner in den Katholizismus gesorgt. In den 2000er Jahren ging es nun um das Bischofsamt für Frauen. Ein neuerlicher Rückschlag für den katholisch-anglikanischen Dialog - und ein No-Go für den anglokatholischen Kirchenflügel.
Im November 2009 ermöglichte Benedikt XVI. mit seinem Schreiben "Anglicanorum coetibus" eigene, katholische Kirchenstrukturen für übergetretene Anglikaner. Sie erlaubten eine Beibehaltung anglikanischer Traditionen bei gleichzeitiger Gemeinschaft mit dem Papst.
Fischen in fremden Gewässern?
Und Benedikt XVI. tat alles, um den Eindruck zu zerstreuen, der Vatikan beginne nun auf westlich-evangelischer Seite eine "Zurück zum Papst"-Initiative, wie sie in Mittel- und Osteuropa und im Nahen Osten in den vergangenen Jahrhunderten zur Bildung zahlreicher mit Rom unierter Ostkirchen führte. Nein, so hieß es, man habe keinerlei Initiative zum Abwerben ergriffen, sondern lediglich einem Wunsch von anglikanischer Seite entsprochen, Übertrittswilligen eine neue geistliche Heimat anzubieten. Der Kurs in der Ökumene bleibe unverändert.
Der damalige Anglikaner-Primas, Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, begrüßte das Angebot zwar offiziell; es sei die notwendige Klärung für ein lange schwelendes Problem. Doch innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft gab es auch vernehmliches Murren: Rom fische in fremden Gewässern, hieß es halblaut.
Einrichtung von drei Personalordinariaten
Doch es blieb dabei: Im Januar 2011 wurde für England und Wales das sogenannte Personalordinariat "Our Lady of Walsingham" eingerichtet. 2012 folgten weitere für die USA ("Chair of Saint Peter") und Australien ("Our Lady of the Southern Cross").
Zum Patron des englischen Ordinariates wurde der heilige Kardinal John Henry Newman (1801-1890) bestimmt, selbst ein Konvertit. Seinen Namen erhielt es nach dem Ort einer mittelalterlichen Marienerscheinung in Walsingham in der Grafschaft Norfolk (1061). Der Pilgerort war im Zuge der Reformation 1538 zerstört worden und wurde erst in den 1920er Jahren wiedererrichtet.
Viele Priester, wenige Gläubige
Während der Osterwoche 2011 traten rund 1.000 frühere Anglikaner dem neuen Ordinariat bei, darunter 40 komplette Pfarreien. Zu Pfingsten erfolgten die ersten Diakonats- und Priesterweihen. Die Zahl der Gläubigen des Ordinariates ist mit 1.850 Katholiken (Vatikanangaben 2019) verhältnismäßig klein, die der Priester im Vergleich mit 97 ungewöhnlich groß. Weltweit leben nach Vatikanangaben knapp 11.600 katholisch gewordene Anglikaner in den Personalordinariaten.
Im Oktober 2013 wurde ein neu geschaffener Ritus eingeführt, der liturgische Vorschriften aus dem anglikanischen "Book of Common Prayer" von 1662 sowie aus dem römischen Messritus adaptiert. Erstmals in der Kirchengeschichte werden damit anglikanische Gottesdienstformen wie der Evensong in der katholischen Kirche gefeiert.
Das Problem mit den Finanzen
Kirchenrechtlich untersteht das Personalordinariat von Walsingham unmittelbar dem Papst. Zum Leiter wurde Keith Newton ernannt, zuvor anglikanischer Bischof von Richborough. Im März 2011 erhielt der damals 58-Jährige den Rang eines Apostolischen Protonotars, den höchsten katholischen Ehrentitel für Nichtbischöfe. Das Ordinariat muss sich finanziell weitestgehend selbst tragen.
Benedikt XVI. überwies zur Gründung 190.000 Euro. Doch nach Angaben Newtons werden jährlich mindestens eine Million Pfund benötigt; für die Finanzierung von Seelsorge, Gotteshäusern und Klerus, aber auch für die Altersvorsorge der zumeist älteren Geistlichen. In der anglikanischen Kirche hätten sie bis zum Alter von 70 Jahren mit ihren Familien Anspruch auf freies Wohnen sowie auf eine garantierte Pension gehabt. Diese Absicherungen bestehen nun nicht mehr.