Selbstoptimierung ist uralt

Allerheiligen

Selbstoptimierer, Selbstvermesser, Self-tracking. Neue Worte für Menschen, die mehr aus ihrem Leben machen wollen. Über Selbstoptimierung wird schon lange berichtet. Meistens negativ.

 (DR)

Quantified Self ist so eine Bewegung von Menschen, die sich selbst optimieren möchten. Auf ihrer homepage schreiben sie:" Ziel dieser Gemeinschaft ist der Austausch von Wissen über die Nutzung persönlicher Daten (...) aus allen Lebensbereichen." -  Und weiter: "Um persönliche Daten zu gewinnen, nutzt Quantified Self Verfahren wie die Verhaltensbeobachtung, die Erfassung biologischer Informationen, Psychologische Tests, und vieles mehr."

Hei der Daus. Da bleibt ja wirklich nichts außen vor: Jeder Schritt, jeder Atemzug, jeder Bissen und jede Mütze Schlaf wird erst vermessen. Dann daraufhin analysiert, dass der, der sich auf diese Weise selbstvermisst, besser laufen, besser atmen, besser essen, besser schlafen kann.

Und bei der Vermessung des Körpers bleibt es ja nicht. Es geht ja auch darum, mehr zu können. Mehr zu wissen. Mehr aus sich zu machen. Äußerlich. Und innerlich. Bessere Beziehungen, ein besseres Leben zu haben. Schon von der Vorstellung, dauernd, immer, alles über meine Körperfunktionen zu wissen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Natürlich sitze ich zu viel und  gehe zu wenig. Und geschlafen habe ich auch schon mal mehr.

Aber irgendwie wehre ich mich, das alles nur negativ zu sehen. Erinnere mich, wie froh ich war. Damals, als ich nach der Schulzeit die Welt entdeckte. Und darin so viele  Möglichkeiten, mich zu entwickeln: Bücher und Kurse. Beratungen und Therapien aller Art.

Für mich war es eine Offenbarung zu merken: ich muss nicht die bleiben, die ich jetzt bin. Ich kann lernen: besser zu kommunizieren, eine andere Haltung zu entwickeln, mit weniger Angst und mehr Freude durchs Leben zu gehen.

Vielleicht geht es den Selbstoptimierern ja ähnlich. Sie wollen lernen, ihre Zeit, ihr Leben bestmöglich zu nutzen. Eine uralte Sehnsucht.

Eine Sehnsucht, die auch die 6650 Menschen teilten, die wir heute, an Allerheiligen, feiern: alle Heiligen. Alle Heiligen wollten das Beste aus ihrem Leben machen. Genau wie die Selbstoptimierer.

Aber es gibt einen Unterschied. Ich finde, Camus hat ihn treffend formuliert. Niemand müsse sich schämen glücklich zu sein, sagt er. Aber man könne sich sehr wohl schämen, alleine glücklich zu sein.