Sexueller Missbrauch geht deutlich zurück – auch der durch Geistliche

"Kein Anlass, sich zurückzulehnen"

Anders als die jüngsten Skandale nahelegen könnten: Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist seit 1992 einer neuen Studie zufolge drastisch zurückgegangen. Priester oder Ordensleute waren demnach fast gar nicht mehr für Fälle verantwortlich.

 (DR)

Eine Befragung von 11.500 Personen zwischen 16 und 40 Jahren habe ermutigende Ergebnisse erbracht, die jedoch keine Anlass böten, sich selbstzufrieden zurückzulehnen, sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer am Dienstag (18.10.2011) in Berlin. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen hat die Studie im Auftrag des Bundesbildungsministeriums erstellt.



Während 1992 noch 8,6 Prozent der Frauen und 2,8 Prozent der Männer angaben, bis zum 16. Lebensjahr eine Missbrauchserfahrung mit Körperkontakt mit dem Täter gemacht zu haben, sanken diese Anteile bei der aktuellen Befragung in diesem Jahr auf 6,4 und 1,3 Prozent.



Ein Missbrauch durch einen katholischen Pfarrer

Der sexuelle Missbrauch durch Priester oder Ordensleute spielt dabei offenbar eine völlig untergeordnete Rolle. Nur eine Person habe angegeben, von einem katholischen Priester durch Körperkontakt sexuell missbraucht worden zu sein, berichtete Pfeiffer. 8,6 Prozent der Opfer nannten Lehrer an Schulen als Täter.



Doch ganz überwiegend findet Missbrauch in der Familie und im Bekanntenkreis statt. 48,3 Prozent der Frauen gaben an, von männlichen Bekannten missbraucht worden zu sein. 41 Prozent der Frauen nannten Väter, Stiefväter und Onkel. Bei den männlichen Opfern nannten 28 Prozent einen Bekannten als Täter, 42 Prozent einen männlichen Familienangehörigen.



Erstmals wurden für die Studie auch Vertreter der größten Migrantengruppen befragt. Hier sei auffällig, dass Frauen mit türkischem Migrationshintergrund seltener von Missbrauchserfahrungen berichtet hätten. So gaben 1,7 Prozent an, bis zum 16. Lebensjahr Missbrauch mit Körperkontakt erlebt zu haben, bei den deutschen Frauen seien es 7,3 Prozent.



Für die repräsentative Studie des KFN wurden 11.500 Personen im Alter von 16 bis 40 Jahren befragt. Bis Ende 2013 soll die Studie komplett abgeschlossen sein. "Die Erkenntnisse und Daten werden uns dabei helfen zu beurteilen, welche Strukturen den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen begünstigen und wie wir Kinder besser schützen können", erklärte Schavan. Zudem trage die Befragung zu einer weiteren Enttabuisierung des Themas bei. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, die Ergebnisse könnten dabei helfen zu beurteilen, welche Strukturen Missbrauch begünstigten und wie Kinder besser geschützt werden könnten. Durch die Einrichtung von Juniorprofessuren und durch Forschungsprojekte solle das Thema in der Wissenschaft etabliert werden.



Schavan hatte die Studie im Zuge des Runden Tischs gegen sexuellen Kindesmissbrauch in Auftrag gegeben. Die Bundesregierung hatte das Gremium im April 2010 angesichts der zunächst in kirchlichen und dann auch in weiteren Einrichtungen bekanntgewordenen Missbrauchsfälle ins Leben gerufen.