Deutsche Bischöfe wenden sich gegen Egoismus

"Sich selber annehmen ist nicht immer leicht"

Am ersten Weihnachtsfeiertag haben Bischöfe in Deutschland für mehr Miteinander und weniger Egoismus geworben. Sie riefen zu Dialog und Frieden auch mit Andersdenkenden auf.

Kerzen mit dem Friedenslicht aus Bethlehem in einem Gottesdienst in Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Kerzen mit dem Friedenslicht aus Bethlehem in einem Gottesdienst in Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

Bischof Bätzing warnt vor egozentrischer Lebensart

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Limburger Bischof Georg Bätzing hat zu Weihnachten vor einem egozentrischen Lebensstil gewarnt. Inzwischen gebe es allerlei Spielarten einer "einseitig individualistisch geprägten, aufSelbstbewusstsein, Rationalität und Sinneserfahrung gestützten Lebensart", sagte Bätzing in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag im Limburger Dom laut Manuskript. Als Beispiele nannte er Haltungen wie "Ich arbeite, ich zweifle, ich widerspreche, ich schraube, jogge, kaufe, genieße, koche, reise ..., also bin ich."

Es gelinge zwar durchaus, sich auf diese Weise seiner selbst zu vergewissern. Diese Art von Selbstliebe und Selbstbespiegelung bleibe oft aber egozentrisches Stückwerk und auf Dauer unbefriedigend. Auch durch den Konsum von Alkohol oder Drogen oder durch selbstverletzendes Verhalten würden Selbstzweifel und quälende innere Leere nicht verdrängt. Es drohe existenzielle Selbstgefährdung, sagte Bätzing.

"Sich selber annehmen ist nicht immer leicht", betonte Bätzing. Manche Menschen stolperten immer wieder über Selbstzweifel bis hin zur Selbstverachtung. "Sie bekommen nicht zusammen, dass sie sind und wie sie sind", so der Bischof. Dieser Konflikt könne einen Menschen zerreißen. "Und wenn solche existenziellen Schwierigkeiten schon privilegiert lebenden Menschen vertraut sind, wie mag es denen gehen, denen die Grundlagen zum Leben materiell oder ideologisch systematisch entzogen werden", so Bätzing.

"Wie kommen die mit sich selbst klar, denen man nachstellt, nur weil sie beeinträchtigt sind, eine andere Hautfarbe haben, eine andere Geschlechtsidentität, weil sie anders glauben oder einer anderen kulturellen Prägung angehören?", fragte der katholische Bischof. Es sei hart, sich gegen solche Widerstände zu behaupten und sich trotzdem annehmen zu können. Das gelte auch für Menschen, "die flüchten müssen, weil Versteppung und Dürre, Fluten und andere Katastrophen ihren Lebensraum vernichten oder weil sie seit Kindertagen immer nur Krieg und Angst kennen - und dann an den Grenzen Europas auch noch benutzt werden im Kalkül eines autokratischen Machthabers".

An Weihnachten werde gefeiert, dass Gott das Menschsein angenommen habe. "Angenommen! Uns angenommen, mich angenommen!", betonte Bätzing. Diese Einsicht atme Zuversicht und vertreibe negative Gefühle, Zynismus und Selbstzweifel.

Paderborner Erzbischof: Weihnachten ist kein "Kuschel-Event"

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker ruft dazu auf, den Gehalt des Weihnachtsfestes nicht in den Hintergrund geraten zu lassen. "Unsere Erlebnisgesellschaft inszeniert Weihnachten zum Kuschel-Event", sagte er am Samstag im Weihnachtsgottesdienst im Paderborner Dom. Für Christen müsse es aber darum gehen, in einer Welt voller Hunger, Gewalt, Krieg und Ungerechtigkeit das "Christuslicht von Bethlehem" zum Leuchten zu bringen und damit christliches Handeln sichtbar zu machen.

"Statt dass Gott Mensch wird und zur Welt kommt, statt dass Weihnachten unter die Haut geht, hebt Weihnachten ab in so manchem blauen Dunst", kritisierte Becker. Auch Jesus habe nicht das Licht einer "erträumten Extrawelt" erblickt, sondern einer Welt mit ihren Dunkelheiten wie Flüchtlingsströmen und nationalen Egoismen. "Gott steckt in unserer Haut, und da ist nicht alles licht."

Zwar ist die Welt laut Becker auch nach rund 2.000 Jahren Christentum nach wie vor zerrissen durch gewaltsame Konflikte und Ungerechtigkeiten. Auch das Christentum selbst habe lange Schatten geworfen und "viele sehen schwarz, wenn sie 'Kirche' hören". Trotz allem ziehe sich aber die "Lichtspur Christi" durch die Jahrhunderte. Dies bedeute: "Jeder Mensch ist Mensch, nicht der eine mehr, der andere weniger. Jeder Mensch hat nicht nur einen Wert, sondern eine unantastbare Würde."

Kardinal Marx: Weihnachtliche Frohbotschaft gilt für alle

Bayerns Bischöfe haben zu Weihnachten besonders an jene erinnert, die in der Pandemie für andere da sind - etwa in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Auftrag der Kirche sei es aber auch, mitten in dieser Welt und Zeit Weihnachten zu feiern und den menschgewordenen Gott "in unserer Mitte" zu verkünden, erklärte der Münchner Kardinal Reinhard Marx. "Wir feiern Weihnachten als Zeugnis dieser Hoffnung - nicht nur für uns, sondern für alle." Ohne Gott fehle der Blick auf das Ganze der menschlichen Wirklichkeit, auch fehle der liebende Blick auf den konkreten Menschen.

Weihnachten regt nach den Worten von Marx zu einer neuen Suche an, was Gott bedeutet. Die Geschichte von Bethlehem wolle erzählen, "Gott ist keine Theorie, sondern Gott ist konkretes Leben! Ein Kind, ein Gesicht, das uns anschaut".

Bischof Hanke: Ohne gute Worte wird das Miteinander zur Hölle

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hat zu Weihnachten die Bedeutung des Miteinander-Sprechens hervorgehoben. Wo in einer Beziehung einer dem anderen das Wort verweigere, wo nicht mehr geredet oder gar Wichtiges verschwiegen werde, gestalte sich das Miteinander zur Hölle, sagte Hanke am ersten Weihnachtstag im Ingolstädter Münster. Das gute Wort hingegen, das tröstende, verständnisvolle, anerkennende Wort eines anderen mache das eigene Leben schön und wertvoll.

Der Bischof bezog sich in seiner Predigt auf die erste Zeile des Johannes-Evangeliums: "Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott." Hanke erläuterte, der Evangelist Johannes stelle nicht Jesu Geburt und Kindheit an den Beginn seines Evangeliums, sondern nehme die Menschen in den Blick, die wissen wollten, wer Jesus wirklich sei, woher er komme. Für das Kommen Gottes in Jesus Christus habe er bewusst den Begriff "Wort" gewählt. "Denn Sprache, Worte sind lebenswichtig für uns Menschen. Einsamkeit ohne das Wort eines anderen Menschen, wie sie in der Corona-Pandemie alleinstehende, alte Menschen oftmals durchleiden mussten, ist eine Qual", so Hanke.

Schick: Vernachlässigung der Kinder und Jugendlichen

Bambergs Erzbischof Ludwig Schick wies gleichfalls auf eine Vernachlässigung der Kinder und Jugendlichen hin. Inzwischen sei bekannt, dass viele einsam geworden seien, sich verlassen fühlten, Traurigkeit und Depression erlitten. Weihnachten sollte deshalb als ein "therapeutisches Fest" gefeiert werden, bei dem die Kinder im Mittelpunkt stünden.

Aachener Bischof Dieser: Gott kommt nicht als Zombie

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat an Weihnachten für den Glauben an Gott geworben. "Wenn es keinen Gott gibt, ist diese Erde in ihrem ganzen Wohl und Wehe uns Menschen ausgeliefert und kein Schrei aus einem Leidensschicksal dringt zum Himmel", sagte er am Samstag im Weihnachtsgottesdienst im Aachener Dom. "Und wer immer antreten wollte, die Welt vor dem Menschen zu retten, würde scheitern an sich selbst und an seinen Verbündeten, denn die sind ja allesamt auch nur begrenzte Menschen." Deshalb glaube er auch nicht an Verschwörungstheorien und ihren Erfolg.

Mit Jesu Geburt spreche Gott zu den Menschen, so Dieser laut Redemanuskript. "Nicht als Götterbote oder Zombie oder als bloße göttliche künstliche Intelligenz" trete Gott in die Geschichte des Planeten ein, sondern als Mensch. "Nie sind wir Menschen uns allein überlassen: Jesus ist, was wir sein können durch Gott", sagte der Bischof und verwies auf die Auferstehung. "Darin liegt die Zukunft allen Lebens, und das ist die göttliche Bestimmung der Welt." Ohne Gott gäbe es auch "keine Aussicht für alle, die extrem zu leiden haben in dieser Welt, für alle, die an Corona sterben oder an unerklärlichen Zusammenhängen oder an der Fahrlässigkeit anderer Menschen."

"Gott kennt keinen Zwang. Keiner muss glauben", betonte Dieser bereits in der Christmette am Freitagabend. "Gott ist diskret, zärtlich, feinfühlig, er zielt immer auf unser Herz." Zugleich bedauerte der Bischof, dass Gott für ganz viele Menschen keine Rolle mehr spiele. Ein Spiegel dafür sei, dass ein großer Teil der neuen Regierungsmitglieder sich beim Amtseid nicht zu Gott bekannt habe.

Bischof Genn wirbt für Miteinander

Der Bischof des Bistums Münster, Felix Genn, hat zu Weihnachten für Hilfsbereitschaft und Miteinander geworben. An Weihnachten gehe es "um das Leben und das Überleben", sagte Genn in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag im Münsteraner Dom. Schon der Bericht von Jesu Geburt in Bethlehem sei ein Zeugnis für das Überleben einer Familie, die in einem Stall das Kind zur Welt bringen musste und sich auf die Flucht begab.

Das Leben Jesu sei davon geprägt gewesen, "anderen zu helfen, leben zu können, überleben zu können", sagte Genn laut Predigttext. Die Menschen heute sollten in diese Fußstapfen treten und durch konkrete Hilfen "Freudenboten" für die Armen und Bedrängten sein.

Als Beispiel nannte der Bischof den Einsatz des katholischen Hilfswerkes Adveniats, das seine diesjährige Weihnachtsaktion in Münster eröffnet hatte. Unter dem Motto "ÜberLeben in der Stadt" wird der Blick auf die Menschen in den Großstädten Lateinamerikas in der Corona-Krise gelenkt. Dabei werde konkrete Hilfe geleistet, betonte Genn. Projektpartner von Adveniat in Lateinamerika hätten etwa Sauerstoff-Geräte für Menschen besorgt, die schwer an Covid-19
erkrankt waren. Mit ihrer Unterstützung machten sie zugleich deutlich, "welcher Sauerstoff des Lebens in der Botschaft des Evangeliums liegt", erklärte er.

Bischof Wilmer: Weihnachten gibt Halt in schwierigen Zeiten

Weihnachten gibt nach Worten des Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer Orientierung in schwierigen Zeiten. "Die Strahlkraft der Krippe schenkt Halt, gerade in Zeiten der Pandemie, in der sich viel Unsicherheit und Angst breitmacht", sagte er am Samstag im Festgottesdienst im Hildesheimer Dom. Menschen, die Halt gefunden hätten, könnten Haltung entwickeln, so Wilmer laut vom Bistum Hildesheim vorab verbreiteten Redeauszügen. "Gehaltene Menschen halten andere, sehen Unrecht, begegnen dem Leid anderer. So geht von der Krippe Rettung aus."

Kohlgraf will Frieden auch mit Andersdenkenden

Die Weihnachtsbotschaft ermuntert nach den Worten des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf zu Frieden und Versöhnung. Das meine "auch Frieden mit dem Menschen, der in Kirche und Gesellschaft anders denkt und empfindet, so schwer es fallen mag, ihn zu verstehen", sagte Kohlgraf am ersten Weihnachtsfeiertag im Mainzer Dom. Er sprach von einer weihnachtlichen Übung, "den Menschen, der mir Schwierigkeiten bereitet, mit an die Krippe zu stellen". Auch dieser Mensch werde von Christus angeschaut.

Weihnachten erinnere daran, erst einmal still zu werden, "bevor wir uns mit lauten Forderungen und gegenseitigen Verdächtigungen und Vorwürfen konfrontieren", so der Bischof. Auch in der Kirche sei es laut und zuweilen unversöhnlich geworden. Das zeige sich unter anderem in "Auseinandersetzungen über notwendige oder vermeintlich unverzichtbare Reformen". Zu oft drängten sich zweitrangige Themen in der Kirche an erste Stelle.

Kohlgraf betonte: "So notwendig die Suche nach glaubwürdigen Strukturen und Formen kirchlichen Lebens sind, so notwendig ist der gemeinsame Blick auf Christus, auf das Kind in der Krippe, das die unglaubliche Kraft hat, Spaltungen zu überwinden und Gemeinsamkeiten zu schaffen." Kirche müsse als Schule persönlichen Betens, als Hilfe bei der Gottsuche und als Gemeinschaft erfahrbar sein. Ansonsten strample sie sich vergeblich ab. Mit Verweis auf Papst Franziskus sprach sich Kohlgraf für eine neue Kultur aus, die die Meinung anderer zu verstehen suche und andere respektiere, ohne Menschen in Schubladen einzuordnen oder alles für gut zu befinden.

Ackermann dankbar für Wissenschaft - aber sie reicht nicht

Die Menschen dürfen nach den Worten des Trierer Bischofs Stephan Ackermann "wahrhaftig dankbar sein für den ständigen Fortschritt von Wissenschaft und Technik". Ohne Forschung gebe es für viele drängende Probleme keine Lösungen. Zugleich betonte Ackermann am ersten Weihnachtstag im Trierer Dom, dass "das Licht der reinen Rationalität" nicht reiche, weil es nicht das Zwielicht der Zweifel und die Dunkelheiten der Herzen erreiche. Ackermann betonte: "Wohlbegründetes Vertrauen in die Wissenschaft ersetzt nicht das, was uns der Glaube zu geben vermag. Wir brauchen beides."

Ackermann erinnerte daran, dass früheren Generationen der Gottesglaube Erklärungen für Vorgänge gegeben habe, die sie nicht verstanden hätten. Auch zu Beginn der Pandemie habe es vereinzelte Stimmen gegeben, die in Corona "irrigerweise eine Strafe Gottes sehen wollten". Es sei gut, wenn Gott heute nicht mehr als "Lückenbüßer" für die Erklärung von Phänomenen genutzt werde.

Bischof Oster: Friede der Weihnacht kann Menschen Angst nehmen

Der Passauer Bischof Stefan Oster hat Weihnachten als ein Geheimnis des Friedens bezeichnet. "Lassen Sie sich vom Frieden dieser Nacht berühren und tragen sie ihn nach Hause", sagte Oster in seiner Predigt an Heiligabend in der Christmette im Passauer Dom. Dieser Friede könne die Angst nehmen voreinander, "die Angst vor der gegensätzlichen Meinung der anderen, vor Corona, vor der Klimakrise, vor den gesellschaftlichen Konflikten, sogar vor dem Tod."

Weiter fügte der Bischof hinzu, Jesus, der Retter, sei Mensch geworden, um Licht in jedes einzelne Herz zu bringen. Er sei der Friedensfürst, der jede Dunkelheit erhelle und jede Sehnsucht ankommen lasse.

Bischof Fürst: Weihnachten hat Einmaligkeitscharakter

Weihnachten bedeutet nach den Worten des Rottenburger Bischofs Gebhard Fürst ƒein unvorstellbares Ereignis mit Einmaligkeitscharakter und Ewigkeitswert". Mit Jesus von Nazareth gehe Gott in die menschliche Geschichte ein, sagte Fürst am ersten Weihnachtstag im Rottenburger Dom.

Das Kind in der Krippe sei "die anschauliche Darstellung des größten Ereignisses in der Geschichte der Menschheit", so der Bischof. Dieses Bild von Gott sei anders als all die anderen Gottesvorstellungen. Gott bleibe nicht bei sich und halte sich nicht aus der Menschenwelt heraus. Fürst rief dazu auf, wie Jesus zu einem Menschen zu werden, der für andere ein Segen sei. Wenn das gelinge, dann ereigne sich "die Weihnachtszeit mitten in der Coronazeit".

Bischof Gerber empfiehlt Impfung zum Schutz vor Corona

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber hat an Weihnachten zum Impfen zum Schutz gegen das Coronavirus aufgerufen. Präventive Schutzmaßnahmen und die Impfung könne man auch als einen Akt der Dankbarkeit gegenüber Gott verstehen. Schließlich habe er den Menschen den Verstand gegeben, "mit dem wir Ursachen erforschen und Gefahren abwenden können", sagte Gerber laut Mitteilung am ersten Weihnachtsfeiertag im Fuldaer Dom. Er betonte: "Das Vertrauen auf Gott ersetzt nicht einfach das Vertrauen in die Medizin." Mit Blick auf die Pandemie sprach Gerber von Angst, einer aufgeheizten Stimmung und sich breitmachender Dünnhäutigkeit in der Gesellschaft.

Würzburger Bischof: Pflegenotstand entschieden angehen

Der Würzburger Bischof Franz Jung hat zu Weihnachten eindringlich zum Kampf gegen den Pflegenotstand aufgerufen. Auch wenn Pflegende selbst in der vierten Corona-Welle noch mit viel Herzblut und Ausdauer arbeiteten, dürften ihre Klagen nicht überhört werden, sagte Jung im Gottesdienst im Würzburger Kiliansdom, der vom ZDF übertragen wurde. "In die Klage mischt sich der Zorn, der bisweilen stummer Resignation weicht, weil trotz der Problemanzeigen der letzten Monate sich im Grunde nichts, aber auch gar nichts zur Verbesserung der Situation in der Pflege getan hat." Der Pflegenotstand verschärfe sich zusehends.

Jung erinnerte daran, dass die Windeln des neugeborenen Jesus das messianische Erkennungszeichen gewesen seien. "In den Windeln erkennen ihn all diejenigen, die den Hirtendienst für die Verlorenen und Hilfsbedürftigen versehen." Dies seien Ärztinnen, Ärzte sowie Pflegekräfte in den Krankenhäusern, in der Altenhilfe und Behinderteneinrichtungen, Erziehende in den Kindertagesstätten, aber auch jene, die sich in der häuslichen Pflege engagierten. "Wenn Weihnachten heißt, Gott an den Windeln und in den Windeln zu erkennen, dann sind wir gefordert, die notwendigen Verbesserungen zur Pflege umgehend auf den Weg zu bringen", forderte der Bischof.

Bischof Meier: Katholischer Dialog braucht keine roten Karten

Augsburgs Bischof Bertram Meier hat zu Weihnachten mehr "Weite und Großzügigkeit" bei innerkirchlichen Debatten angemahnt. "Wer das Wort Gottes für seine eigenen Interessen instrumentalisiert, nimmt ihm seine Fülle und Tiefe. Er setzt das Katholische aufs Spiel: Reichtum und Vielfalt", sagte Meier am ersten Weihnachtsfeiertag im Augsburger Dom. "Wer einen katholischen Dialog will und praktiziert, der arbeitet nicht mit grünen und roten Karten, sondern lässt die Verschiedenheit der Meinungen offen und unverkrampft zu. Er tut alles, damit auch Andersdenkende zu Wort kommen und eine Stimme haben."

Der Bischof ergänzte: "Dass eine solche Debattenkultur gerade bei uns in der Kirche schwer scheint, belastet mich. Es steht gegen die vielbeschworene Synodalität als Lebensstil der Kirche. Mein Eindruck ist: Wir wollen nichts dem Zufall überlassen, wir haben Angst vor Spontaneität, wir ziehen unser jeweiliges Drehbuch durch." Es stellten sich daher für ihn folgende Fragen: "Wer führt in der Kirche Regie? Kommt bei unseren Strategien der Heilige Geist noch durch, bei den vielen Wörtern das Eine Wort? Oder wollen wir lieber alles selber machen, was wir in theologischen Kammern und akademischen Runden ausgedacht haben?"

Meier erklärte, es gehe im offenen Dialog nicht darum, die vielfältigen Wortbeiträge schon im Vorfeld zu sortieren und, was gegen den Strich stehe, zu kritisieren, sondern möglichst viele Stimmen wohlwollend zu analysieren und zu integrieren. Der Bischof erinnerte an Ignatius von Loyola (1491-1556). Der Heilige habe den "guten Rat" gegeben, "alles zu tun, um die Meinung des anderen zu 'retten'. So werden synodale Initiativen gelingen, der Erneuerung der Kirche dienen aus der Mitte Jesu Christi, des Wortes Gottes."

Deshalb müsse man unterscheiden zwischen Wort und Stimme. "Es gibt so viele Stimmen, auch in der Kirche, aber es gibt nur ein Wort: das kurze Wort, das Gott in eine Krippe gelegt hat", so der Bischof weiter. "Dieses Wort kommt nicht aus uns, sondern zu uns. Wir verdanken es nicht unserer menschlichen Tat, sondern dem göttlichen Willen. Wir können es nicht machen, wir dürfen es empfangen, es uns sagen lassen." Meier betonte: "Man kann im Ernst nicht Weihnachten feiern, ohne von Gott zu reden."

Wiesemann: Freiheit mit Rücksicht verbinden

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat zu einer neuen Balance zwischen der eigenen Freiheit und der Rücksichtnahme auf andere aufgerufen. "Keiner lebt für sich allein. Es gibt keine Freiheit, die nicht auch Auswirkungen auf andere hat", so Wiesemann am ersten Weihnachtstag im Speyerer Dom. Der Bischof warnte deshalb vor Freiheitsvorstellungen, die nur die eigene Person im Blick hätten. Die Illusion uneingeschränkter Freiheit habe "schon lange ihre Unschuld verloren".

Als Beispiel nannte Wiesemann Umweltfragen. So könne ein Leben auf Kosten der kommenden Generationen nicht glücklich machen. Wenn die Coronakrise ein Gutes bewirken könne, dann sei es "der Wert des Miteinanders, der Verantwortung füreinander, die Sinnhaftigkeit und Kostbarkeit des miteinander geteilten Lebens", die wieder mehr ins Bewusstsein rückten.

EKD-Ratsvorsitzende ruft zu Friedensanstrengungen auf

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sieht mit Sorge auf den Krisenherd im Osten Europas und mahnt zu Friedensanstrengungen. "Zur Zeit schaue ich mit Furcht und Zittern auf das, was sich in der Ukraine abspielt", sagte Kurschus am ersten Weihnachtstag in einem Gottesdienst in Bielefeld. Sie frage sich: "Wo wird die Rhetorik der Feindschaft, wo wird die Spirale der Eskalation enden?" Nötig sind ihrer Ansicht nach "Gesten der Entfeindung", von denen die biblische Weihnachtsbotschaft der Hoffnung erzählt: "Bleibt in der Liebe! Haltet zusammen! Seid um Gottes Willen solidarisch miteinander!", appellierte die westfälische Präses.

Kurschus erinnerte an das sogenannte Weihnachtswunder von 1914, als im Ersten Weltkrieg deutsche und britische Soldaten in den Schützengräben der Westfront ihre Waffen beiseite legten, ihr Essen teilten, zusammen Weihnachtslieder sangen und Fußball spielten. Dieses Ereignis sei ein "ein göttlicher Moment voll tiefer Menschlichkeit" gewesen, sagte die EKD-Ratsvorsitzende. "Zwei Tage war dort in Flandern die Herrlichkeit der Kinder Gottes offenbar, und wo alle Kinder Gottes sind, da sind sie keine Feinde, sondern Geschwister."

Ein Ende der militärischen Drohgebärden an der ukrainischen Grenze wäre aus ihrer Sicht solch ein Weihnachtswunder, sagte Kurschus. "Es kann auch im Januar sein oder an einem heißen Sommertag. Weihnachten ist keine Sache des Datums", betonte sie. Denn Weihnachten sei eine Sache der komplett neuen Sicht.

Seit Wochen gibt es an der ukrainischen Grenze russische Truppenbewegungen. Westliche Länder befürchten einen Einmarsch russischer Soldaten in das Nachbarland.

EKD-Synodenpräses: Weihnachtsgottesdienste stärken die Gemeinschaft

Weihnachtsgottesdienste bieten für die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, die Chance zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls. Dies muss ihrer Ansicht nach aber nicht auf die traditionelle Weise passieren: "Ich glaube, man muss ein bisschen das Bild vergessen, dass der Weihnachtsgottesdienst klassisch um 15 Uhr in der Kirche stattfindet - mit ganz vielen Leuten, die gar nicht alle einen Sitzplatz bekommen", sagte sie im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk laut Mitteilung vom Samstag. Durch die neueren Formate, die im Zuge der Corona-Pandemie entstanden sind, wie etwa digitale Gottesdienste oder Gottesdienste im Freien, könnten auch kirchenferne Menschen begeistert werden. "An der Krippe können alle zusammenkommen, da ist eigentlich niemand ausgeschlossen - nicht Esel, nicht Ochs, nicht die Könige aus dem Morgenland - alle dürfen dahinkommen."

Bedford-Strohm: "Wie eine Wolke" auf dem Gemüt der Kinder

Bayerns evangelischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm rief dazu auf, vor allem die Verletzungen bei Kindern durch die Pandemie wahrzunehmen. Die Sorge, Anspannung und Genervtheit, die von den Erwachsenen ausgehe, habe sich "wie eine Wolke" auf das Gemüt der Kinder gelegt. Darum müsse man auf die Stimmen der Kinder hören und Gottes Nähe in ihren Verletzungen wahrnehmen.

Die weihnachtliche Freudenbotschaft gilt laut Landesbischof ohne Vorbehalte für jeden Menschen. Jeder dürfe sich ungehemmt freuen, dass Gott in der Geburt seines Sohnes Jesus allen Menschen nahe gekommen sei.

Landessuperintendent ruft zu Solidarität mit Menschen in Not auf

Der Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche, Dietmar Arends, hat in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag dazu aufgerufen, Not leidende Menschen in den Blick zu nehmen. Wer den Weg mit dem Jesuskind mitgehe, "wird schmerzhaft spüren, wenn andere Menschen an Krankheit oder Hunger leiden, ohne Dach über dem Kopf sind, auf der Flucht, wenn sie traurig und einsam sind", sagte Arends am Samstag im Gottesdienst in Detmold. Aus der Liebe zu Christus und aus solchem Schmerz heraus entstehe die Liebe zu anderen Menschen und zu der Welt. Das sei tätige Nächstenliebe.

Das in Bethlehem geborene Kind gehe den Weg echten Mitleidens und nehme die Menschen mit auf diesen Weg, sagte Arends weiter: Das sei der Weg der Menschlichkeit. "Lassen wir uns von dem Kind im Stall mitnehmen auf den Weg des Lebens, der über unsere eigenen Begrenztheiten hinausführt, sogar über die letzte so schmerzliche Grenze", erklärte der oberste Repräsentant der Lippischen Landeskirche.

July: Weihnachtsbotschaft gilt Geimpften und Ungeimpften

Weihnachten bietet nach Überzeugung des Bischofs der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, die Chance auf einen Neuanfang. "Gott fängt an Weihnachten neu mit uns an, den Geimpften und Ungeimpften, den Fragenden und Suchenden, den Skeptikern und Zweiflern, denen, die sagen, mein Alltag und meine Probleme haben doch mit Weihnachten nichts zu tun", sagte July laut Manuskript am Samstag in seiner Weihnachtspredigt in der Stuttgarter Stiftskirche.

Der Theologe unterstrich, dass in der Corona-Pandemie niemand ausgegrenzt werden dürfe. Denn Gott nehme Menschen als seine Kinder an: "Wir werden uns nicht selbst überlassen, unserem Schicksal, unserer Schuld, unseren Verfehlungen, unseren Nichtigkeiten und Fehlplanungen", betonte July.

Anglikaner-Primas Welby: Weihnachten rettet uns, nicht umgekehrt 

Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, hat zu Weihnachten vor Allmachtsfantasien gewarnt. Gerade in diesem von der Pandemie und weiteren Krisen geprägten Jahr seien die Menschen bestrebt, "Weihnachten zu retten", sagte der Anglikaner-Primas am Samstag in der Kathedrale von Canterbury.

Aber nicht "wir" oder Politiker, Wissenschaftler, Lkw-Fahrer oder Supermärkte könnten Weihnachten retten, "sondern Weihnachten rettet uns", fügte Welby hinzu: "In der Geburt Jesu hat Gott für uns getan, was wir selbst nicht tun können." Das Heilsgeschenk des Kindes in der Krippe "wird nicht nur einigen Menschen angeboten, sondern allen".

Weihnachten sei traditionell eine Zeit, in der die Menschen ihre Grenzen vergäßen - insbesondere beim Essen, Trinken, Schlafen, Fernsehen und Geldausgeben. "Das könnte der Grund sein, warum wir dieses Jahr so ​​darauf bedacht waren, Weihnachten zu retten - wir wollten etwas Flucht", so der Erzbischof.

Natürlich gebe es Grund, stolz zu sein auf Errungenschaften in Wissenschaft und Medizin wie etwa die Corona-Impfstoffe. Oder auf soziales Engagement für Tafeln und die Hilfe für Geflüchtete, "die an der Küste in der Nähe dieser Kathedrale ankommen", so Welby. Derzeit erlebten die Rettungsschiffe am Ärmelkanal so viele Notrufe wie noch nie. Hier gehe es nicht um Politik, sondern einfach um Menschlichkeit.

Dennoch zeigten diese Dinge nur, "was wir nicht können", sagte der Bischof. Selbst der "erstaunliche Impfstoff" könne "unsere Sterblichkeit nicht wegimpfen". Viele Menschen versuchten, durch die grenzenlose Nutzung der Natur ohne Grenzen zu leben. Dies habe den Planeten "in ein Trauma gebracht", von dem trotz der Vereinbarungen der Weltklimakonferenz COP26 von Glasgow noch immer unklar sei, ob es geheilt werden könne. Auch erlebe jeder täglich die Folgen von Egoismus und Unversöhnlichkeit. Dazu reiche ein Blick in die Kommentare unter einem Artikel in den Zeitungen.

Dagegen zeige die Weihnachtsgeschichte, wie mit Menschen umzugehen sei, "die anders sind als wir", ergänzte Welby. Doch sei in den meisten Menschen die "Unzufriedenheit Gottes" am Werk, die nach besserem Handeln strebe. "Gott kommt als Retter für uns alle, damit alle verändert werden und selbst Gottes Barmherzigkeit in unserer Welt sein können", sagte der Erzbischof. "Das ist Ihre und meine Berufung - Gottes Mitgefühl in unserer Welt zu sein."

Aus Agenturmaterial zusammengestellt von DOMRADIO.DE


Bischof Bätzing (DR)
Bischof Bätzing / ( DR )

Erzbischof Hans-Josef Becker / © Andreas Kühlken (KNA)
Erzbischof Hans-Josef Becker / © Andreas Kühlken ( KNA )

Kardinal Marx (DR)
Kardinal Marx / ( DR )

Hanke (DR)
Hanke / ( DR )

Weihbischof Rolf Steinhäuser / © Rudolf Wichert (KNA)
Weihbischof Rolf Steinhäuser / © Rudolf Wichert ( KNA )

Schick (DR)
Schick / ( DR )

Helmut Dieser, Bischof von Aachen, 2020 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Helmut Dieser, Bischof von Aachen, 2020 / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Bischof Felix Genn / © Guido Kirchner (dpa)
Bischof Felix Genn / © Guido Kirchner ( dpa )

Bischof Wilmer (DR)
Bischof Wilmer / ( DR )

Bischof Peter Kohlgraf / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Peter Kohlgraf / © Harald Oppitz ( KNA )

Bischof Stephan Ackermann, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Stephan Ackermann, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Oster (DR)
Oster / ( DR )

Bischof Gebhard Fürst / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Gebhard Fürst / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Michael Gerber, Bischof von Fulda / © Arne Dedert (dpa)
Michael Gerber, Bischof von Fulda / © Arne Dedert ( dpa )

Bischof Franz Jung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Franz Jung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Bischof Bertram Meier / © Dieter Mayr (KNA)
Bischof Bertram Meier / © Dieter Mayr ( KNA )

Bischof Karl-Heinz Wiesemann im Portrait / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Bischof Karl-Heinz Wiesemann im Portrait / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Annette Kurschus / © Harald Oppitz (KNA)
Annette Kurschus / © Harald Oppitz ( KNA )

Anna-Nicole Heinrich / © Heike Lyding (epd)
Anna-Nicole Heinrich / © Heike Lyding ( epd )

Heinrich Bedford-Strohm / © Jens Schulze (epd)
Heinrich Bedford-Strohm / © Jens Schulze ( epd )

Württembergischer Landesbischof Frank Otfried July  / © KNA (KNA)
Württembergischer Landesbischof Frank Otfried July / © KNA ( KNA )

Justin Welby, anglikanischer Erzbischof von Canterbury / © Paul Haring (dpa)
Justin Welby, anglikanischer Erzbischof von Canterbury / © Paul Haring ( dpa )
Quelle:
KNA