Sieben afrikanischen Staaten droht derzeit die Zahlungsunfähigkeit

Kein Schutzschirm gegen die Krise

Die globale Finanzkrise führt nach Einschätzung von Entwicklungsorganisationen zu einer neuen Schuldenkrise in Entwicklungsländern. Allein sieben afrikanischen Staaten drohe derzeit die Zahlungsunfähigkeit, erklärten die Kindernothilfe und das Bündnis erlassjahr.de am Freitag in Berlin bei der Vorstellung ihres "Schuldenreports 2009". Genannt werden unter anderem Benin, Burundi, Liberia, Mosambik und Niger. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) warnte vor Überschuldung.

 (DR)

Auch UNICEF warnte vor einer Verschärfung der sozialen Kluft weltweit. Besonders in exportabhängigen Ländern in Asien sei eine starke Zunahme von Arbeitslosigkeit, Armut, Unterernährung und Kindersterblichkeit zu befürchten. Angesichts der Rettungspakete für die Banken dürfe die Hilfe für die Ärmsten nicht vergessen werden, sagte der Vorsitzende des deutschen UNICEF-Komitees, Jürgen Heraeus, mit Blick auf den Vorbereitungsgipfel von 20 Industrie- und Schwellenländern (G-20) am Wochenende in Berlin.

Laut Schuldenreport besteht in sechs weiteren afrikanischen Ländern ein hohes Risiko für einen Staatsbankrott, so etwa in Mali, Guinea, Burkina Faso, Ruanda, Äthiopien und im Sudan. In Ruanda etwa führten eine Vervierfachung der Nahrungsmittel- und Energiepreise, ein nur geringer Anstieg beim Hauptexporterzeugnis Kaffee und schlechte Kreditkonditionen in eine Sackgasse.

Dringende Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitswesen blieben aus. Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe Ruanda erst kürzlich ein hohes Insolvenz-Risiko bescheinigt, heißt es in dem Bericht. Eine Verschlechterung der Haushaltslage wird auch in Afghanistan, Haiti, Eritrea und der Demokratischen Republik Kongo befürchtet.

Auch die Reduzierung der Entwicklungshilfe verschärft dem Schuldenreport zufolge die Haushaltslage der ärmsten Länder und macht Erfolge von Entschuldungs-Initiativen von Weltbank, IWF und den führenden Industrieländern zunichte. Durch diese Initiativen könnten insgesamt 41 Staaten auf einen Erlass von bis zu 100 Milliarden US-Dollar (80 Milliarden Euro) Schulden rechnen. Bei einigen Ländern habe sich die Verschuldung sogar um 90 Prozent reduziert. Die Bundesrepublik hat zwischen 1978 und 2007 Entwicklungsländern insgesamt knapp 22 Milliarden Euro Schulden erlassen.

Dennoch betrug der Schuldenstand der 135 Entwicklungs- und Schwellenländer nach den jüngsten Daten der Weltbank von 2007 immer noch fast 3.400 Milliarden Dollar (2.700 Milliarden Euro). Die Auslandsverschuldung dieser Staaten bleibe damit ein bislang ungelöstes Strukturproblem der globalen Gemeinschaft, das sich durch die aktuelle Finanzkrise wieder weiter verschärfen werde, warnen die Autoren des Schuldenreports, darunter der Finanzexperte Jürgen Kaiser.

Zur Linderung des Problems fordern erlassjahr.de und Kindernothilfe unter anderem faire und transparente Schiedsverfahren für hoch verschuldete Staaten. Dies könnte verhindern, dass die Staaten Kredite zu überhöhten Zinsen aufnehmen. Auch müsse die Rolle Chinas als Kreditgeber für afrikanische Staaten und deren politische Auswirkungen aufmerksam beobachtet werden.

UNICEF warnte unter Berufung auf Berechnungen der Weltbank, dass 200.000 bis 400.000 Kinder zusätzlich sterben könnten, sollte die Krise ungebremst fortschreiten. In Indonesien leben schon jetzt 52 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle. Sie müssen mit weniger als umgerechnet zwei US-Dollar pro Kopf und Tag auskommen, trotz drastischer Preissteigerungen bei Reis. Im Raum Indien, Pakistan und Bangladesch war schon vor der Krise nahezu jedes zweite Kind unterernährt.

Der Leiter der weltweiten UNICEF-Nothilfe, Louis-Georges Arsenault, forderte ein stärkeres Bewusstsein für soziale Verantwortung. «Solange wir unseren Wohlstand und unsere Entwicklung daran messen und danach ausrichten, wie viele Autos im Jahr bei uns produziert und verkauft werden, wird sich an den Wurzeln der ökonomischen, sozialen und humanitären Probleme nichts ändern», sagte er der «Berliner Zeitung» (Freitagsausgabe).