Das katholische Hilfswerk Misereor beklagt sieben Jahre nach Beginn des Syrienkrieges eine Hilflosigkeit der internationalen Gemeinschaft. "Die Vereinten Nationen und die Europäische Union sehen dem furchtbaren Leiden der Menschen bislang weitgehend hilflos zu. Dieses Bild von Ohnmacht der Völkerfamilie ist unerträglich", erklärte Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon am Freitag in Aachen. "Wenn die UN ihrem Mandat gerecht werden und für den Schutz der Zivilbevölkerung endlich etwas ausrichten wollen, dann müssen sie jetzt handeln." Aus der Ferne lasse sich der Konflikt nicht lösen.
"Für ein Ende der Gewalt einzusetzen"
Misereor appellierte an die Völkergemeinschaft, sich entschlossener für ein Ende der Gewalt einzusetzen. "Alle bisherigen politischen Versuche sind kläglich gescheitert", so Bröckelmann-Simon. "Wir brauchen dringend wirkungsvolleres Handeln, um den Krieg endlich zu beenden." Das Hilfswerk tue mit seinen Partnern alles, um Menschen zu helfen und ihnen Hoffnung zu geben. "Aber Hilfsorganisationen können das Morden nicht beenden, das ist eine politische Aufgabe, der sich die Gemeinschaft aller Nationen stellen muss."
Misereor kündigte an, die Gesamthilfe in Syrien von bislang rund 5,2 Millionen Euro um zunächst 50.000 Euro für den Flüchtlingsdienst der Jesuiten aufzustocken. Bröckelmann-Simon berichtete von einer fortschreitenden "tiefen Spaltung" der Gesellschaft, "in der schlimmste Gewalterfahrungen und Misstrauen jegliche Perspektive für ein Miteinander der religiösen, konfessionellen und ethnischen Gruppen untergraben". So könnten kaum "Perspektiven für wirklichen Frieden, Versöhnung, Sicherheit und Wiederaufbau" entstehen.
UNHCR: Sieben Jahre Syrien-Krieg ist beschämend für die Welt
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sieht im Leiden der syrischen Zivilbevölkerung einen "beschämendem Ausdruck eines gescheiterten politischen Willens". "Die sieben Kriegsjahre haben eine gewaltige menschliche Tragödie hinterlassen. Um der Überlebenden willen ist es höchste Zeit, diesen zerstörerischen Konflikt zu beenden", sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi am Freitag.
Bei der nächsten Syrien-Konferenz in Brüssel müssten feste Zusagen für eine größere finanzielle- und Entwicklungsunterstützung gemacht werden. In den sieben Jahren Krieg sind nach Angaben von UNHCR Hunderttausende Menschen gestorben und 6,1 Millionen innerhalb Syriens aus ihren Häusern vertrieben worden. Darüber hinaus haben 5,6 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern Zuflucht gesucht.
Derzeit steht besonders die umkämpfte Region Ost-Ghuta im Fokus der Hilfsorganisationen. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen sind seit Mitte Februar mindestens 1.000 Menschen in der belagerten Region ums Leben gekommen. Die Zahl der Verletzten wird auf mindestens 4.800 geschätzt, mutmaßlich ist die Dunkelziffer der Opfer aber deutlich höher. In vielen Teilen von Ost-Ghuta leben nach Angaben des Hilfswerks die Bewohner unter katastrophalen hygienischen Bedingungen mit nur wenig Trinkwasser und oft ohne sanitäre Einrichtungen in Kellern und vorübergehenden Schutzunterkünften unter der Erde.
Malteser kritisieren wachsende Gleichgültigkeit der Weltgemeinschaft
Auch der Malteser Hilfsdienst beobachtet, dass der Syrienkonflikt noch immer das Leben von Millionen Menschen im Nahen Osten bestimme. "Die verzweifelte Lage in Ost-Ghuta ist eine perverse und vorhersehbare Wiederholung der Belagerungszustände von Städten wie Homs und Aleppo", sagt Janine Lietmeyer, Länderreferentin für Syrien und Libanon bei Malteser International. In Idlib seien derzeit 300.000 neue Vertriebene auf Hilfe angewiesen. Die syrischen Helfer, die seit über sieben Jahren ihr Leben riskierten, weil sie als Ärzte, Schwestern oder Hebammen ihrer Berufung nachgehen, befinden sich in einem "Zustand der absoluten Erschöpfung". Kritik üben die Malteser an der "inzwischen nur noch ritualisiert vorgetragenen Empörung" und der "wachsenden Gleichgültigkeit der Weltgemeinschaft angesichts des fortgesetzten Leidens der Zivilbevölkerung".