Sinti- und Roma-Seelsorger zur Einwanderungsdebatte

"Schlecht aufgestellt"

Der Kölner Pfarrer Jan Opiela betreut seit zehn Jahren Sinti und Roma im Auftrag der deutschen Bischofskonferenz. Im domradio.de-Interview spricht er über die Folgen eines möglichen erhöhten Zustroms von Roma aus Osteuropa.

Pfarrer Jan Opiela (dpa)
Pfarrer Jan Opiela / ( dpa )

domradio.de: Bekommen Sie Reaktionen von Sinti und Roma auf die Wahl von "Sozialtourismus" als Unwort des Jahres und die Diskussion darum?

Opiela: Nein, die Sinti und Roma sind sehr familienbezogen, haben wenig Kontakt in die Öffentlichkeit und die Medienwelt, weil das mit dem Lesen und Schreiben bei sehr vielen immer noch sehr schwierig ist. Das politische Interesse ist nur äußerst gering.

domradio.de: Ist die katholische Kirche für mögliche höhere Zuwanderungsraten gerüstet?

Opiela: Die Caritasverbände sind sehr gut aufgestellt und auch die Anlaufstellen. Ob die jetzt kommenden Roma hinter der Caritas immer auch den kirchlichen Träger entdecken, sei dahingestellt. Wir als Seelsorger  und Seelsorgerinnen von der Ebene der deutschen Bischofskonferenz sind allerdings nur mit ganzen fünf Bistümern von 27 betraut. Das ist leider sehr traurig. Ich denke, durch die aktuelle Diskussion und auch den Aufwind durch den neuen Papst könnte es sein, dass da so manche Bistümer umschwenken und doch den Blick darauf richten.

domradio.de: Wie ist das Verhältnis von Sinti und Roma untereinander? Wie  stehen z.B die deutschen Sinti und Roma zu den Zuwanderern aus Osteuropa?

Opiela: Deutsche Sinti und deutsche Roma sind ja schon sehr lange hier in Deutschland, verstehen sich untereinander aber auch nicht immer bestens, denn es sind zwei verschiedene Gruppen, und vor allen Dingen sind sich deutsche Sinti und deutsche Roma einig, dass sie mit denen, die jetzt aus dem Balkan kommen, gar nichts zu tun haben, das sind völlig getrennte Gruppen. Das hat was damit zu tun, dass die, die jetzt aus dem Balkan kommen, teilweise noch bis ins Jahr 1856 in Leibeigenschaft in den Balkanstaaten waren.

domradio.de: Wie könnte die Kirche in Zukunft für eine bessere Integration sorgen?

Opiela: Die Kirche arbeitet ja in den betroffenen Ländern, ich war gerade in der Ostslowakei in einem Bistum, was mit sehr vielen Roma zu tun hat. Die Kollegen dort sind teilweise recht hilflos, weil diese Roma-Gruppe derart am Boden ist und in diesen Staaten ja überhaupt nicht in den Blick genommen wird. Und wenn, dann nur als "sozialer Abfall". Und wenn die jetzt hierüber kommen sollten aus der Armutssituation heraus, weil es jetzt diese neuen Möglichkeiten gibt, sind wir dahingehend schlecht aufgestellt. Wir brauchen eine Unmenge an Personal, das diese Leute empfängt, an die Hand nimmt in allen Bereichen des Lebens: Sei es Arbeit, Schule , Haushalt, sozialer Umgang mit den Begebenheiten hier vor Ort. Denn die Bundesrepublik ist ein in wirtschaftlicher Sicht noch schnelleres Land als die Entsenderländer. Aber wir müssen erst einmal sehen, wer tatsächlich dann vor der Türe stehen wird.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR