Im Skandal um das Gelsenkirchener Jugendamt prüft der Kinderschutzbund Vorwürfe gegen den stellvertretenden Amtsleiter Thomas Frings. Dieser ist auch stellvertretender Vorsitzender des Kinderschutzbundes im Ortsverband Gelsenkirchen. Es sei zu klären, ob Frings zugunsten eigener Interessen Einfluss auf die Arbeit des Kinderschutzbundes genommen habe, sagte der Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Nordrhein-Westfalen, Friedhelm Güthoff, am Dienstag auf Anfrage in Wuppertal.
Zusammenarbeit mit katholischer Einrichtung
Zusammen mit Jugendamtsleiter Alfons Wissmann steht Frings im Verdacht, sich mit der von ihnen in Ungarn gegründeten Einrichtung "Neustart" finanziell bereichert zu haben. Demnach soll die Behörde gezielt immer mehr Jugendliche in das Gelsenkirchener St.-Josef-Heim geschickt haben. Als Gegenleistung habe die katholische Einrichtung Jugendliche von anderen Jugendämtern in das Heim nach Ungarn geschickt.
Am Montag hatte der kommunale Hauptausschuss Gelsenkirchen in einer Sondersitzung mit der Aufarbeitung des Falls begonnen. "Die Aufklärung hat oberste Priorität", sagte Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) bei einer Sondersitzung mehrerer Ausschüsse des Stadtrats. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft Essen laut einem Sprecher, ob ein Anfangsverdacht der Vorteilsnahme vorliege und Ermittlungen eingeleitet würden.
Stellungnahme am Mittwoch
Laut Kinderschutzbund NRW wird nun in enger Zusammenarbeit mit dem Ortsverband Gelsenkirchen geprüft, wie Frings sich in Vorstandssitzungen und im Verband verhalten habe und ob es hier zu Vorteilsnahmen habe kommen können. Zudem kündigte Güthoff für Mittwoch eine außerordentliche Mitgliederversammlung sowie "eine erste ausführliche Stellungnahme" an. Darüber hinaus stehe im Fokus, inwieweit es Interessenkonflikte zwischen Frings' Vorstandstätigkeit und seiner Funktion als stellvertretender Leiter des Gelsenkirchener Jugendamtes gegeben habe.
Das gelte auch für die Frage, ob der Kinderschutzbund bei Mittelvergaben etwa bevorzugt worden sei. "Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Arbeit vor Ort 100 Prozent sauber läuft", betonte Güthoff. Zugleich warnte er vor Pauschalurteilen über sogenannte "intensivpädagogische Maßnahmen" im Ausland. Dort gebe es gute Angebote, die sinnvoll seien, "wenn sie passgenau und vernünftig begleitet sind". Hier seien die Maßnahmenträger ebenso gefordert wie die Jugendämter. Zur Sicherung des Kindeswohls sei es wichtig, "dass die Jugendämter sich vor Ort von der Qualität der Arbeit überzeugen", sagte Güthoff. Inwieweit dies geschehe, sei zu überprüfen.
Die Stadt beauftragte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Aufarbeitung der Vorwürfe. "Wir können die Vorwürfe gegen den Amtsleiter derzeit weder bestätigen noch widerlegen", sagte Gelsenkirchens Rechtsdezernent Christopher Schmitt. Baranowski sagte: "Bis zum Beweis des Gegenteils gilt die Unschuldsvermutung."
Der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion Gelsenkirchen, Wolfgang Heinberg, kritisierte, dass die Sondersitzung kaum zur Aufklärung beigetragen habe. Aus der Grünen-Fraktion hieß es: "Es sind nun mehr Fragen offen als vor der Erklärung." Bereits vor der Sitzung hatten die Grünen die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses durch den Stadtrat gefordert.
Jugendamt prüft Fall eines Elfjährigen
Das Landesjugendamt Westfalen wird zudem den aktuellen Fall eines elfjährigen Jungen prüfen, der vom Jugendamt der Stadt Dorsten in einer Betreuungsmaßnahme in Ungarn untergebracht wurde. Das Landesjugendamt habe von der Stadt die Akten des Falls erhalten, sagte ein Sprecher in Münster. Die Auswertung werde aber einige Zeit dauern.
Die Stadt Dorsten hatte mitgeteilt, sie habe vier Monate lang nach einer geeigneten Betreuung gesucht und dabei sieben Absagen für die Unterbringung im Inland erhalten. Mit dem Träger der Maßnahme in Ungarn arbeite man seit vielen Jahren zusammen, ohne dass es Hinweise auf beachtenswerte Mängel gebe. "Monitor" hatte berichtet, der Junge werde kaum betreut und unterrichtet.