Skandalbücher von Nuzzi und Fittipaldi vorgestellt

"Frucht eines schwerwiegenden Verrats"

Der italienische Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi hat am Mittwoch in Rom sein Skandalbuch "Via Crucis" präsentiert. Seine Behauptungen: finanzielle Unregelmäßigkeiten im Vatikan und Intrigen der Kurie gegen Papst Franziskus.

Dunkle Wolken über dem Petersdom / © Wolfgang Radtke (KNA)
Dunkle Wolken über dem Petersdom / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Die deutschsprachige Ausgabe des Buchs über finanzielle Unregelmäßigkeiten im Vatikan und Intrigen der Kurie gegen Papst Franziskus kommt am Donnerstag in den Handel. Es wird vom Salzburger "Ecowin"-Verlag mit dem Titel "Alles muss ans Licht - Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes" verlegt. Der Vatikan hatte bereits am Montag scharfe Kritik am Nuzzi-Buch und dem ebenfalls diese Woche erschienenen zweiten Skandalaufdeckungs-Buch "Avarizia" (Geiz) von Emiliano Fittipladi geübt.

Die Bücher von Nuzzi und Fittipaldi seien "die Frucht eines schwerwiegenden Verrats jenes Vertrauens", das Papst Franziskus gewährt habe, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi zu den Buchpräsentationen in Rom. Der vatikanische Staatsanwalt prüfe jetzt rechtliche Schritte. Die Verbreitung von vertraulichen Informationen und Dokumenten wurde nach der "Vatileaks-Affäre" als eigener Straftatbestand in das Strafrecht des Vatikanstaates aufgenommen.

Nuzzi ist Mailänder und arbeitete lange Zeit für die rechtspopulistische Zeitung "Il Giornale" in seiner Heimatstadt. Später verlegte er sich auf große investigative Recherchen, etwa über das Netz der kalabresische Mafia in Norditalien. 2009 veröffentlichte er "Vaticano S.p.A." (deutsch: "Vatikan AG") über die Finanzen der Kirche und ihre Verstrickungen mit Politik und Mafia. Im Mai 2012 erschien "Sua Santita" ("Seine Heiligkeit"). Die darin ausgewerteten internen Papiere aus dem Vatikan waren Auslöser der "Vatileaks"-Affäre, die nach Meinung von Beobachtern einer der Gründe für die Entscheidung von Benedikt XVI. war, vom Papstamt zurückzutreten.

Chaouqui und Vallejo verhaftet

Am Wochenende setzte der Vatikan Schritte gegen die Informanten Nuzzis und Fittipaldis, den Santa-Croce-Priester Lucio Angel Vallejo Balda und die PR-Arbeiterin Francesca Chaouqui. Beide waren Mitglieder der vatikanischen Finanzkontrollkommission "Cosea", und beide wurden im Zuge einer - wie Zeitungen es nannten - "Halloween-Aktion im Vatikan" - verhaftet. Chaouqui stritt alle Vorwürfe ab, Vallejo hüllte sich in Schweigen; das Opus Dei distanzierte sich von ihm. Wie brisant die weitergegebenen Unterlagen tatsächlich sind, ist allerdings schwer abzuschätzen.

"Ich weiß, dass ich nichts gemacht habe, und bin sicher, meine Position vollständig geklärt zu haben", zitierte die Tageszeitung "La Stampa" am Dienstag Chaouqui. Sie war nach ihrer Festnahme am Wochenende am Montag wieder freigelassen worden, unter anderem weil sie sich kooperationsbereit gegenüber der vatikanischen Justiz gezeigt hatte. Die 33-Jährige gehörte ebenso wie der festgenommene Priester der 2013 vom Papst eingerichteten Kommission für die Neuordnung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikan an. Damit hatte sie Zugang zu vertraulichen Bilanzen. Chaouqui belastete zugleich den weiter unter Arrest stehenden vatikanischen Geistlichen Lucio Angel Vallejo Balda: "Er hat alles gemacht.

"Überflüssige Ausgaben"

Druckerfahnen der beiden Bücher kursierten am Mittwoch in der italienischen Medienszene. Demnach listet Fittipaldi, Redakteur der Zeitschrift "L'Espresso", angeblich "überflüssige Ausgaben" des neuen vatikanischen Wirtschaftssekretariats auf. Die Kurienbehörde habe "Hunderttausende Euro für Business-Class-Flüge, maßgeschneiderte Kleidung, wertvolles Mobiliar und 4.600 Euro für den Unterschrank eines Waschbeckens" ausgegeben.

Ferner enthüllt er in seinem Buch etwa, dass der Vatikan im Jahr 2012 insgesamt 27 Millionen Liter Benzin verkauft habe, 18 Prozent davon an "Unbekannte". Darüber hinaus sollen für wohltätige Zwecke bestimmte Gelder für die römische Kurie zweckentfremdet worden sein.

"Fürstliche Behausungen"

Nuzzi sagte am Mittwoch, die "Cosea-Kommission" habe Günstlingswirtschaft, die zu einer unmäßigen Zunahme beim Personalbestand des Vatikan geführt habe, die mangelnde Transparenz bei Ausgaben und Abläufen, ungenügende Kontrollen bei Lieferantenverträgen, Ineffizienz und Privilegien bei der Bewirtschaftung der Vatikan-Immobilien, mangelhafte Aufsicht sowie zu hohe Risiken bei den Kapitalanlagen des Vatikan aufgedeckt. Der Peterspfennig gehe zu 80 Prozent in die Verwaltung, was nach Meinung Nuzzis ein viel zu hoher Prozentsatz ist. Grund dafür sei "die desaströse Finanzlage der Kurie".

Der italienische Journalist behauptete, dass ein Teil dieser Gelder für "Luxuswohnungen im Herzen der Ewigen Stadt" ausgegeben werde: "Kurienkardinäle wohnen in geradezu fürstlichen Behausungen mit 400, 500, manchmal 600 Quadratmeter Nutzfläche. Und zwar allein, bestenfalls mit zwei oder drei Missionsschwestern, bevorzugt aus Entwicklungsländern, die ihnen den Haushalt führen, für sie kochen, putzen oder als Hilfspersonal fungieren."

Kardinäle mit "Nullmieten"?

Nuzzi zeigte eine Tabelle mit vielen Namen prominenter Kardinäle und der Nutzfläche ihrer Wohnungen, bei denen es sich oftmals um sogenannte "Nullmieten" handeln soll. Die Kardinäle wohnten umsonst, zahlen weder Miete noch Nebenkosten. Der Papst gebe sich bescheidener und bewohne nach wie vor ein knapp 50 Quadratmeter großes Zimmer im Gästehaus Santa Marta.

Laut Nuzzi hätten bei einer Inventur von Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten im Vatikan Waren im Wert von 1,6 Millionen Euro gefehlt. Die "Cosea-Kommission" habe weiters überhöhte Ausgaben für Bau- und Handwerksarbeiten sowie Indizien für Steuerhinterziehung gegenüber Italien festgestellt. Dazu kämen Rabatte und Vergünstigungen für Kardinäle und Mitarbeiter bei Lebensmitteln, Zigaretten, Bekleidung und Sport.

Nuzzi sieht "psychologische Kriegsführung der Reformgegner". Die Kurie stehe den Vorgaben des neuen Papstes ablehnend gegenüber. Nur wenige der geprüften Reformen hätten bisher umgesetzt werden können. "Man hat viel analysiert und wenig erreicht. Bergoglios Manöver zur Vertreibung der Händler aus dem Tempel ist auch drei Jahre nach seiner Wahl noch nicht abgeschlossen", erklärte der Enthüllungsautor.


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