Justin Welby ist von seinem Amt als Erzbischof von Canterbury zurückgetreten. In dieser Funktion war er nicht nur der Bischof Nr. 1 von insgesamt 108 Bischöfen der anglikanischen Kirche von England, er leitete auch die weltweite anglikanische Gemeinschaft, zu der rund 85 Millionen Menschen weltweit gehören.
Jetzt muss für ihn ein Nachfolger oder vielleicht sogar eine Nachfolgerin gefunden werden. Wie läuft das ab und welche Rolle spielt der König dabei?
Es ist davon auszugehen, dass nach dem überraschenden Rücktritt sofort intensive Gespräche begannen, welche Kandidaten in Frage kommen könnten. Der Auswahlprozess liegt in den Händen der Crown Nominations Commission, einer Kommission, die aus 16 stimmberechtigten Mitgliedern besteht. Sie wird einen Top-Kandidaten auswählen sowie einen zweiten, der ebenfalls geeignet sein würde.
Erst einmal ein Komitee bilden
Der englische Premierminister Keir Starmer, ein Atheist nach eigener Aussage, ernennt den Vorsitzenden der Kommission, der ein Laie sein muss. Idealerweise sollte es eine Person aus dem öffentlichen Leben mit einem positiven Bekenntnis zur Kirche von England sein.
Dieser Wahlkommission gehört auch der zweitwichtigste Bischof der Kirche von England an, nämlich Stephen Cottrell, der Erzbischof von York. Die weiteren Mitglieder sind sowohl Geistliche wie auch Laien - im Gegensatz zur katholischen Kirche, wo nur Geistliche schlussendlich gemäß dem Kirchenrecht über die Wahl von Bischöfen entscheiden. Es ist eine zentrale Forderung des katholischen Reformprojektes Synodaler Weg, zukünftig auch Laien an der Wahl von Bischöfen zu beteiligen.
Wenn dann ein Kandidat gefunden ist
Die Kommission muss die Herausforderungen, vor denen sich die anglikanische Kirche in England und der Welt gestellt sieht, identifizieren und zwei Kandidaten aussuchen, denen sie zutraut, diese Aufgaben zu bewältigen. Dann übermittelt die Crown Nominations Commission die Namen ihrer beiden Kandidaten an den Premierminister.
Dieser wiederum informiert König Charles III. und rät ihm an, den Top-Kandidaten zu ernennen.
Der König ist das weltliche Oberhaupt der anglikanischen Kirche. In früheren Jahrhunderten konnte er nach Belieben Bischöfe ernennen, absetzen oder wie im 16. Jahrhundert, sie sogar verbrennen lassen.
Das geschah 1556 mit Thomas Cranmer, dem ersten protestantischen Erzbischof von Canterbury. Heute muss er die Entscheidung des Wahlkomitees und des Premierministers akzeptieren.
Die Queen war nicht immer einverstanden
Die 2022 verstorbene Queen Elizabeth II. hat nach Angaben ihrer Biografin Sarah Bradford sehr subtil auf die Wahl eines Bischofs reagiert, der ihr nicht wirklich gefiel. Sie fragte dann nach weiteren Informationen, was der Premierminister durchaus verstand.
Blieb er dann dennoch bei seinen Vorschlägen, stimmte sie zu, um einen offenen Konflikt zu vermeiden.
Für König Charles III. ist es der erste Erzbischof von Canterbury, an dessen Auswahl er offiziell beteiligt ist. Hat er seine Zustimmung gegeben, wird der Top-Kandidat informiert und gefragt, ob er oder sogar sie die Wahl annehmen wolle. Dann verkündet der Premierminister den Namen, und das Kollegium der Geistlichen an der Kathedrale von Canterbury wählt ihn formal zum neuen Erzbischof.
Der Wahlprozess kann dauern
Ein weiteres Bischofskomitee muss ebenfalls seine Zustimmung geben, bevor der Kandidat feierlich in der Kathedrale in sein Amt eingeführt wird. Im Gegensatz zur katholischen Kirche, die einen genauen Zeitplan hat, wie ein Nachfolger für den Papst gewählt wird, so dass das wichtigste Amt in der Kirche nicht lange unbesetzt bleibt, kann sich die Wahl bei den Anglikanern ziehen.
Nach ersten Medienberichten stehen die Chancen für diese drei Bischöfe gut: Martyn Snow, der Bischof von Leicester, Graham Usher, der Bischof von Norwich und Guli Francis-Dehqani, die Bischöfin von Chelmsford. Sollte die Wahl auf Francis-Dehqani zulaufen, dann wäre sie die erste Frau in diesem Amt. Noch dazu hat sie einen ungewöhnlichen Lebenslauf. Sie kam erst im Alter von 13 Jahren nach der Revolution aus dem Iran nach Großbritannien.
Wer immer den Top Job in der anglikanischen Kirche bekommt, er oder sie muss die zerrissene Gemeinschaft irgendwie zusammenhalten.
Konservative und Progressive haben ihre starken Lager und die Frage nach dem Umgang mit homosexuellen Partnerschaften hat immer noch das Potenzial einen Bruch auszulösen.