Die beiden Theaterpädagogen haben mit einer alten Tradition gebrochen und die meisten Personen neu besetzt. Nach einem Casting. Nur eine Maria und Jesus Stefan Huppmann wurden bestätigt. Tobias Selzam, der andere Heiland, ist dagegen der Aufsteiger. "Ich war doch verwundert, dass es ganz nach oben ging", sagt der 34-jährige Fachlehrer vor der Premiere am Sonntag (23.06.2013).
15 Jahre hatte er während Ausbildung und Studium bei München nicht mehr mitgespielt. Mit dem Wiedereinstieg kam gleich die Hauptrolle. Eine, die wie 15 andere doppelt besetzt ist. Ohne den Glauben an Gott gehe es nicht, die Figur glaubhaft zu spielen, findet er. Bibellesen reiche nicht. Deshalb sei die von den Regisseuren verlangte Rollenbiografie sehr wichtig. "Und Jesus-Filme anzuschauen habe ich mir verkniffen."
Die ganze Familie Selzam ist bei den Passionsspielen eingespannt. Der Vater verkörpert einen der Männer, die die Ehebrecherin steinigen wollen. Die Mutter dagegen ist "schwer pro Jesus unterwegs", sagt der Sohn. Sie jubelt mit der Menge dem erwarteten Messias beim Einzug in Jerusalem zu. Und auch seine Schwester spielt mit, samt ihrem gerade geborenen Kind.
Laien sind sie alle
Mitmachen ist Ehrensache für die Sömmersdorfer, deren Passionsspiele auf die Initiative eines Dorflehrers vor genau 80 Jahren zurückgehen. "Man redet auch mal mit jemandem, mit dem man fünf Jahre nicht geredet hat", beschreibt der Vorsitzende des Passionsspielvereins, Robert König, die besondere Motivation.
Die Darsteller werden nicht nur aus den 640 Einwohnern rekrutiert, sondern auch aus denen, die längst fortgezogen sind. Ein Judas etwa lebt inzwischen in München. Das bedeutet 300 Kilometer Anfahrt zu jeder Probe. Vom Säugling bis zum 85-Jährigen sind alle Altersstufen vertreten. Nicht jeder Mime ist katholisch. König fragt nicht einmal nach der Konfession. "Für mich ist der Mensch wichtig - und das Spiel."
400 Menschen sind vor und hinter den Kulissen engagiert. Laien sind sie alle, die 18 Mal im Sommer eine fränkische Passion geben: Die "Mitte" ist dann mal die "Midde" und es wird "verraden" statt "verraten". Bodenständigkeit prägt die Spiele bis heute - im Unterschied zu manch anderen Passionsorten, wo inzwischen das Geschäft eine wichtige Rolle spielt.
Liebe zum Detail
30.000 Besucher erwarten sie dieses Mal. Die Einnahmen fließen in die Passion zurück. Gerade erst wurde die Freilichtbühne für 1,2 Millionen Euro erweitert, vieles geschah in Eigenleistung. Eine komplette Überdachung der fast 2.000 Sitzplätze würde mehr als 2 Millionen Euro kosten. Dafür reicht das Geld noch nicht.
Die Spielstätte soll künftig auch in den fünf Jahren zwischen den Passionsspielen intensiver genutzt werden. Das erste Stück war vor zwei Jahren eine Bühnenfassung des Filmklassikers Don Camillo. Da mussten sich die neuen Regisseure zuerst beweisen. Das scheint gelungen, ebenso wie die Eingriffe in die Inszenierung der Passion. So bekam der Teufel einen festen Platz in dem Spiel, wenn auch ohne Text. Die Musik wird live gespielt und wurde eigens für Sömmersdorf komponiert.
Liebe zu den Details zeichnet die fast 200 Minuten dauernde Aufführung aus. Neben Schafen, Hühnern und Tauben kommen auch zwei Esel zum Einsatz. "Jeden Tag trainieren sie das Laufen", berichtet der Vorsitzende. Auch Jesus Tobias Selzam muss fit sein. Die Hinrichtungsszene verlangt viel Kraft, gerade bei heißen Temperaturen. Diese Rolle für die nächsten Jahrzehnte festzuhalten, käme ihm gar nicht in den Sinn. "Es sieht ja nicht so toll aus, wenn ein 60-Jähriger am Kreuz hängt."