Auch Heilige sind nicht automatisch Frühaufsteher. Philipp Neri etwa kam morgens im Internat notorisch zu spät. Dabei schärfte ihm sein Erzieher ein: "Wenn es läutet, stell dir vor, du bist im Fegefeuer und Gott ruft dich."
Doch Langschläfer Neri beeindruckte das nicht: Ja, er habe auch durchaus an das Fegefeuer gedacht, sagte er, als er das nächste Mal zu spät kam. "Dann aber sagte ich zu mir selbst: Du hast schon so viele Dummheiten gemacht, Du musst wohl länger im Fegefeuer bleiben - und da bin ich liegen geblieben".
Der "lachende Heilige"
Das ist nur eine von vielen Anekdoten, die sich um den heiligen Philipp Neri ranken, der vor 425 Jahren, am 26. Mai 1595, gestorben ist. Sie zeigen, warum er den Beinamen der "lachende Heilige" erhielt. Doch Neri ist in der Gemeinschaft der Heiligen keineswegs nur für die Unterhaltungssparte zuständig.
Der 1515 in Florenz als Filippo Romolo de Neri geborene Sohn eines Notars ist auch einer der großen Jugendarbeiter unter den Heiligen. So führte er Predigten und Beichten speziell für Kinder ein. Das war damals im 16. Jahrhundert, das Kinder als kleine Erwachsene behandelte, eine Revolution in der Seelsorge.
Auch die einfachen Leute erreichen
Überhaupt war vieles ungewohnt an Neri, ja für manche kirchlichen Kreise gar anstößig und störend. Der Heilige hielt etwa regelmäßig Gottesdienste mit Gebeten und Liedern auf Italienisch.
Denn er wollte, dass auch die einfachen Leute verstehen, was da passierte. In einer Epoche hemmungsloser Prunkentfaltung am päpstlichen Hof predigte Neri in Rom zudem eine Kirche der Märtyrer - als Ideal für eine Gemeinde.
Sogar Goethe fasziniert
Die Päpste waren denn auch nicht alle von Neris unkonventionellem Wirken begeistert: Paul III. und Paul IV. war der Heilige suspekt, der später "Apostel Roms" genannt wurde. Erst Clemens VIII. sah in Neri seinen Mann und machte ihn zum Berater für die geplanten Reformen. Beim römischen Volk kam Neri umso besser an.
Selbst Goethe, der mit Heiligen eigentlich nicht viel am Dichterhut hatte, war von Neri fasziniert. In seiner "Italienischen Reise" widmete er ihm ein ganzes Kapitel. Neri ist für Goethe der Heilige, in dem "das Heilige mit dem Weltlichen, das Tugendsame mit dem Alltäglichen sich vereinigen und vertragen".
Gründung des Oratorianerordens
Neri kam 1533 mittellos nach Rom. Dort war er 16 Jahre lang zunächst als Erzieher in einer vornehmen Familie tätig. Von 1534 bis 1537 studierte er Theologie und Philosophie in Rom.
Noch während seines Studiums verkaufte er jedoch alle Bücher und verteilte den Erlös unter den Armen. Ein Jahr nach seiner Priesterweihe gründete Neri 1552 den Oratorianerorden, eine Gemeinschaft von Weltpriestern, die nicht in klösterlicher Klausur leben.
Kardinalswürde zweimal abgelehnt
In den kommenden Jahren wirkte er als Pfarrer in der am Tiberufer gelegenen römischen Gemeinde San Giovanni dei Fiorentini. 1575 begann er schließlich mit dem Bau jener Kirche, in der er beigesetzt wurde, Santa Maria in Vallicella, auch "Chiesa nuova" (Neue Kirche) genannt. Neri starb 1595 in Rom an einem Blutsturz. Bis zu seinem Tod blieb er einfacher Priester. Die Kardinalswürde lehnte er zweimal ab.
In der Kirchengeschichte steht Neri für die Erneuerung der katholischen Kirche nach der Reformation. Früher sprach man von der "Gegenreformation". Er gehört zu jenen katholischen Geistlichen, die erkannten, dass etliche Missstände in der katholischen Kirche keine Erfindungen der Reformatoren waren, und dringend der Abhilfe bedurften.
Die Bezeichnung "Oratorium" geht auf Neri zurück
Heiliggesprochen wurde Neri schon im Jahr 1622 durch Papst Gregor XV. Als Patron deckt er ein weites Spektrum ab: Er ist nicht nur für die Stadt Rom zuständig, sondern auch für die Spezialeinheiten der US-Armee und wird zudem gegen Unfruchtbarkeit von Frauen angerufen.
Ohne Philipp Neri gäbe es schließlich auch kein Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Denn die Bezeichnung "Oratorium" für dieses musikalische Genre geht letztlich auf Neri zurück. Freilich war dieser kein Komponist. Aber er war Erfinder des Gebets- oder Andachtsraums, der nach dem lateinischen Wort für beten (orare) "Oratorium" genannt wurde. Hier wurde auch Musik gemacht.