Kinobranche ächzt unter der Corona-Krise

Solidarität unter Verleihern und Filmhäusern

Die Filmbranche leidet unter der Corona-Krise, weil viele Kinos und kleinere Verleiher durch die Schließungen in ihrer Existenz bedroht sind. Verbände fordern Finanzhilfen, damit es nach der Pandemie weitergehen kann.

Autor/in:
Margret Köhler
Kinosaal / © VDB Photos (shutterstock)

Seit der flächendeckenden Schließung aller Kinos in Deutschland grassiert eine extreme Unsicherheit in der Branche. Das lukrative Ostergeschäft fällt komplett aus. Viele Kinobesitzer und Verleiher rechnen frühestens Mitte Mai mit einer Wiedereröffnung ihrer Kinos.

Die Starttermine vieler neuer Kinofilme wurden jedenfalls schon bis in den Sommer verschoben. Für die rund 700 Lichtspielhäuser stellt diese Situation eine riesige Bedrohung dar, vor allem für die kleineren Arthouse-Filmtheater.

Es geht um Existenzen

Es geht schlicht um ihre Existenz. Schätzungen taxieren den Verlust auf bis zu 17 Millionen Euro pro Woche, bei den Arthouse-Kinos rechnet man mit knapp 3 Millionen.

Diese vertritt Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino und Geschäftsführer der Berliner Yorck-Kinos. Er betont die Funktion der Kinos als sozialen Ort, als Hefe im Teig der Gesellschaft. Das Geld, das jetzt verloren gehe, könne man nicht nachholen. Kinoplätze lassen sich im Sommer nicht doppelt belegen. Bräuer hofft, dass den politischen Versprechungen auch Taten folgen.

Branchensolidarität ist das Gebot der Stunde, von den Produzenten über die Verleiher bis hin zu den Kinobetreibern. Christian Pfeil, der in München, Gera und Jena Arthouse-Kinos betreibt, stellt sich auf die neue Situation ein, macht sich aber wie viele seiner Kollegen große Sorgen. Im März kann er die Löhne seiner Angestellten noch zahlen, im April greift das Kurzarbeitergeld.

In seinen Augen braucht gerade der Mittelstand direkte Hilfe, schließlich laufen Pacht und andere Kosten weiter. Bis die Überbrückungshilfen in Gang kommen, bestehe die Gefahr, dass kleinere Betriebe und Einzelkinos aufgeben müssen, "wenn da nicht sofort - und zwar mit der großen Kanne - etwas passiert". Und vor allem unbürokratisch.

Die Situation der Kinos schlägt auch auf die Verleiher durch, weniger auf die US-Riesen oder die deutschen Großverleiher, dafür umso mehr auf die kleineren Firmen. Sie müssen auch die Kosten für die nun gescheiterten Marketingkampagnen abschreiben, während die Fixkosten weiter auflaufen. Der Erlös an der Kinokasse macht zwei Drittel der Einnahmen an einem Film aus.

Ein weiteres Problem der Verleiher bahnt sich erst an. Denn durch die unfreiwillige Pause entsteht ein großer Filmstau. Geht man von 10 bis 15 Filmstarts pro Woche aus, könnte der sich schnell auf 150 bis 180 Filme hochschaukeln. Unter die Räder geraten sind auch die "Berlinale"-Filme "Undine" und "Berlin Alexanderplatz".

Verbände wie die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) oder die AG Kino verlangten schon wenige Tage nach den Kinoschließungen Liquiditätsbeihilfen. "Die Ausfälle, die wir in allen Bereichen jetzt haben, muss der Staat ersetzen, und zwar 1:1. Nur dann können wir normal weiterfahren und investieren. Sonst haben wir ein Mordsminus und schliddern in eine Rezession hinein", so SPIO-Präsident Thomas Negele.

Das Präsidium der Filmförderungsanstalt (FFA) beschloss inzwischen ein Maßnahmenpaket und die Bildung von Hilfsfonds für Kinos. Die Länderförderungen entwickeln ebenfalls einheitliche Hilfsmaßnahmen.

In der Branche wird der Ruf nach einem generellen Drehstopp lauter, allein schon aus gesundheitlichen Gründen, um das persönliche Risiko der Mitarbeiter auszuschließen.

Tabubrüche

Gefahr für die Filmbranche droht auch noch aus einer anderen Ecke. Als erstes Hollywood-Studio nutzte Universal Pictures die Corona-Krise, um gerade erst im Kino angelaufene Filme wie "The Hunt", "Emma" oder "Der Unsichtbare" in den USA als Streaming-Angebot verfügbar zu machen, für umgerechnet rund 20 Euro für 48 Stunden, was in etwa dem Preis von zwei Kinokarten entspricht.

Ohne Kino gibt es ab 10. April direkt als Video-on-Demand-Premiere (VoD) den Dreamworks-Animationsfilm "Trolls World Tour" - ein absoluter Tabubruch. Paramounts "Sonic the Hedgehog" und Disneys "Onward: Keine halben Sachen" gehen in wenigen Tagen schon digital. Bislang galt in den USA eine Frist von 90 Tagen ab Kinostart für die nachfolgenden Verwertungswege.

SPIO-Chef Thomas Negele verbreitet Optimismus, dass nach der Pause "das Kino wieder in die Köpfe kommt". AG-Kino-Sprecher Christian Bräuer ist hingegen skeptisch. Er befürchtet zwar langfristig keinen Zuschauerschwund, aber es könnten sich die Geschäftsmodelle ändern und Unternehmen, denen das Kinofenster schon lange ein Dorn im Auge ist, die Krise zu ihrem Vorteil nutzen: "Einigen ist es egal, ob sie ihre Umsätze im Kino, online oder via Streaming machen. Da müssen wir aufpassen."

Solidarität innerhalb der Branche manifestiert sich ganz unterschiedlich. So bietet der Nürnberger Verleih Grandfilm eigene Titel auf einem VoD-Kanal an, und von den Einnahmen gehen 50 Prozent an Partnerkinos. Der Münchner Verleih Eksystent bringt den Tanzfilm "Isadoras Kinder" jetzt auf der Plattform www.kino-on-demand.com heraus, wobei sich die Zuschauer "ihr" Kino aus einer Liste herauspicken können, das dann an den Einnahmen beteiligt wird.

Viele Kinobetreiber berichten auch, dass Zuschauer schon jetzt Gutscheine für zukünftige Vorstellungen kaufen. Das ist mehr als eine Geste: ein Zeichen des Miteinanders und der Partnerschaft in schwierigen Zeiten.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Portals filmdienst.de


Quelle:
KNA