"Solidarnosc"-Priester Jerzy Popieluszko wird seliggesprochen

Polen, Papst und Popieluszko

Ein Nationalheld Polens ist Jerzy Popieluszko bereits. Nun erhebt ihn die Kirche als Märtyrer zur Ehre der Altäre. Am Sonntag wurde der "Solidarnosc"-Priester, den die Kommunisten vor mehr als 25 Jahren ermordeten, in Warschau seliggesprochen. Oliver Hinz berichtet aus Polen.

 (DR)

Polen, Papst und Popieluszko

Solidarnosc-Pfarrer in Warschau seliggesprochen =
Dieser Sonntag ist gewiss einer der schönsten Tage im Leben von Marianna Popieluszko. Wenige Tage nach ihrem 100. Geburtstag nimmt sie an der Seligsprechungsfeier für ihren Sohn Jerzy Popieluszko (1947-1984) auf dem Pilsudski-Platz in Warschau teil. Vor dem Gottesdienst tritt sie mit Gehstock und Kopftuch an das Mikrofon auf der Altarbühne und betet den Rosenkranz.

Und auch während der Messe findet die Mutter des neuen Seligen der katholischen Kirche besondere Aufmerksamkeit. Direkt nachdem der Präfekt der vatikanischen Heiligsprechungskongregation, Erzbischof Angelo Amato, das Seligsprechungsdekret von Papst Benedikt XVI. verlesen hat, betritt sie abermals die Bühne. Amato hießt sie eigens willkommen und spricht mehrere Minuten mit ihr. Die Lautsprecher übertragen freilich nur den Gesang eines Chores.

Dann nimmt Marianna Popieluszko wieder Platz in der ersten Reihe vor der Bühne. Ein weißer Schirm schützt sie vor der Sonne. Vor der Seligsprechung gab sie zahlreiche Interviews. «Ich fühle Freude, dass Polen einen Fürsprecher bei Gott haben wird», sagte sie etwa.

Der Warschauer Priester Jerzy Popieluszko ist der wohl berühmteste Märtyrer der Freiheitsbewegung Solidarnosc. Zwar ließ das kommunistische Regime noch weitere Pfarrer ermorden, aber zur Symbolfigur des kirchlichen Widerstands gegen die einstigen kommunistischen Machthaber wurde der mutige Kaplan der Stahlarbeiter in der Hauptstadt. In seinen Predigten prangerte er Anfang der 1980er Jahre die Menschenrechtsverletzungen des Regimes an und unterstützte die verbotene Solidarnosc.

Am 19. Oktober 1984 wurde er von Agenten des kommunistischen Geheimdienstes entführt und ermordet. Hunderttausende nahmen später an der Totenfeier in Warschau teil. Zu seiner Seligsprechung eilten am Sonntag erneut die Massen. Mehr als 250.000 Menschen aus ganz Polen versammelten sich auf dem Pilsudski-Platz und vor Video-Leinwänden an mehreren Orten in Warschau. Händler verkauften für umgerechnet wenige Euros T-Shirts und andere Souvenirs mit dem Konterfei des neuen Seligen.

Die zweieinhalbstündige Seligsprechungsfeier selbst war eine würdige Zeremonie. Es gab Applaus, aber nicht ausufernd. Die Altarbühne war mit Popieluszkos Leitspruch «Besiege das Böse durch das Gute» geschmückt. Auf diesen Satz nahm auch Benedikt XVI. Bezug: «Sein unermüdlicher Dienst und sein Martyrium sind ein besonderes Zeichen für den Sieg des Guten über das Böse», sagte der Papst in einem polnischen Grußwort aus dem fernen Zypern.

Eine zentrale Rolle spielte bei der Feier in Warschau eine Reliquie Popieluszkos, ein kleiner Teil seiner sterblichen Überreste in einem goldenen Behältnis. Nach dem Gottesdienst wurde sie mit einer zwölf Kilometer langen Prozession zur Nationalkirche «Tempel der Göttlichen Vorsehung» im Außenbezirk Wilanow überführt. Dort fand sie im Kellergeschoss in der Nähe eines symbolischen Grabes von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) ihren Platz.

Die Kirche ist noch eine Baustelle, aber bis auf die Kuppel im Rohbau fertig. Im Kellergeschoss wurden jedoch bereits einige bedeutende Polen beigesetzt. Geplant ist ein nationales Pantheon des dritten Jahrtausends. Die katholische Kirche Polens nutzt die Seligsprechung auch dazu, um Geld für die Fertigstellung der Kirche zu sammeln. In allen Gottesdienstes des Landes wurden die Gläubigen in einer Kollekte um Spenden dafür gebeten.

Hauptpilgerstätte für Popieluszko soll jedoch sein Grab vor der Stanislaw-Kostka-Kirche bleiben, in der er einst überfüllte Messen las. Dies hat der Warschauer Erzbischofs Kazimierz Nycz mehrfach betont. Unterdessen haben laut polnischen Medienberichten bereits rund 100 polnischen Pfarreien angefragt, ob sie ebenfalls eine Reliquie erhalten könnten. Ein Wunsch, der sich wohl kaum für alle erfüllen wird. Eine geplante Kirche, die nach Popieluszko benannt werden soll, hat allerdings schon eine Zusage erhalten: Sie steht nahe dem Ort, an dem der Leichnam des Priesters damals entdeckt wurde.