Solwodi lehnt das Prostituiertenschutzgesetz ab

"Gesetz ist eine Mogelpackung"

Seit einem Monat ist das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Das Gesetz, das Frauen schützen und Bordell-Betreiber stärker zur Verantwortung ziehen soll, sei indes eine Mogelpackung, kritisiert die Frauenrechtsorganisation Solwodi.

Prostitution / © Caro Bastian (epd)
Prostitution / © Caro Bastian ( epd )

domradio.de: Warum gefällt Ihnen das Gesetz nicht?

Schwester Lea Ackermann (Gründerin der Hilfsorganisation Solwodi): Wir lehnen das Gesetz ab, weil es eine Mogelpackung ist. Es hilft nicht tatsächlich den Frauen und Kindern, die in der Prostitution tätig sind. Dem Ganzen liegt  ein falscher Blick auf Prostitution zugrunde. Die Entwürdigung des Menschen in der Prostitution wird außen vor gelassen, die Tatsache, dass Menschen in der Prostitution zur Ware gemacht werden.  

Lea Ackermann / © Thomas Frey (dpa)
Lea Ackermann / © Thomas Frey ( dpa )

domradio.de:  Das Gesetz sieht durchaus Dinge vor, die in Ihrem Sinne sein dürften: die Kondompflicht für Freier etwa und die Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber. Sind das nicht greifbare Verbesserungen?

Schwester Lea: Nein, das ist lächerlich! Wer will denn beispielsweise kontrollieren, ob die Kondompflicht eingehalten wird?! Die Frauen, die in einem Bordell tatsächlich darauf bestehen würden, die hätten ganz sicher mit Strafe zu rechnen – oder gar mit Übergriffen. 

domradio.de:  Andererseits müssen sich Prosituierte jetzt auch offiziell registrieren lassen, einen Prostituiertenausweis mitführen. Was ist daran problematisch?

Schwester Lea: Das Hauptproblem dieses Gesetzes ist, dass es Prostitution nicht als Verbrechen wertet, sondern als Beruf salonfähig machen will. Damit treibt es noch mehr Menschen in die Prostitution. Das wiederum halte ich für ein Verbrechen! Das Gesetz wertet Frauen und Kinder ab. Ganz einseitig entstehen da außerdem Kosten für die Gesellschaft, denn die muss am Ende kommen und zahlen. Für alle, die durch die Prostitution an Leib und Seele geschädigt werden. Am Ende profitieren davon die Bordellbetreiber, die Menschenhändler, die Schlepper und Schleuser - vielleicht sogar der Staat.      

domradio.de:  Solwodi ist auch eine Anlaufstelle für Prostituierte in Not. Haben Sie von denen denn schon Rückmeldungen bekommen, ob sie die Auswirkungen des neuen Gesetzes schon spüren?

Schwester Lea: Wir stehen ja in ganz engem Kontakt mit betroffenen Frauen, die sich übrigens selbst oft als "Überlebende" bezeichnen. Mit Blick auf die Neuregelungen haben die Frauen jetzt einfach nur Angst, dass sie sich outen und hinterher doch im Regen stehen. Die offizielle Registrierung macht den Frauen Angst.  

domradio.de: Bekommen Sie für Ihre klare Kritik am neuen Gesetz denn eigentlich Rückendeckung aus den Reihen der katholischen Kirche?

Schwester Lea: Ich bedauere es sehr, dass sich die katholische Kirche, dass sich die Bischöfe hier bei uns in Deutschland nicht klar dazu äußern. Das ist in unseren Nachbarländern teilweise ganz anders. So haben etwa die französischen Bischöfe schon 2003 geschrieben: "Anderthalb Jahrhunderte nach der Abschaffung der Sklaverei gibt es sie immer noch in Form der Prostitution. Frauen werden wie eine Ware auf dem Markt betrachtet und danach, wie viel Gewinn sie abwerfen. Sie werden geschlagen, vergewaltigt und darauf gedrillt, jegliche Wünsche zu erfüllen, auch perverse." – Wir reden von ungeheuerlichen Verbrechen an Frauen in der Prostitution und wir sollten als katholische Kirche wirklich klare Worte dafür finden!

 domradio.de: Sie sagen ja, Deutschland sollte es machen wie zum Beispiel Schweden oder Frankreich und käuflichen Sex komplett verbieten. Warum?

Schwester Lea: Ich finde die dementsprechende Gesetzgebung in Schweden, Frankreich, Norwegen, Kanada etc.wirklich sehr gut. Denn dort nimmt das Gesetz nicht die Frauen ins Visier, sondern schaut auf die Käufer, auf die Freier und verbietet ihnen das Geschäft  - nach dem Motto "Der Käufer macht den Markt". Die klare Aussage dahinter: "Man kann keine Frau kaufen; man kann keinen Menschen kaufen!“ Auf die Strafen, die daraus folgen, kommt es dabei gar nicht so an. Es kommt auf den Blickwechsel an. In Schweden hat das Gesetz, das dort schon seit zwölf Jahren in Kraft ist, dazu geführt, dass Frauen und Männer tatsächlich gleichwertiger sind.  

domradio.de: Aber drängt man mit einem Komplett-Verbot die Prostituierten nicht in die Illegalität? Es wird ja sicher in Schweden und Frankreich auch weiter Prostitution geben. 

Schwester Lea: Ja, aber eben als Übel, als Verbrechen – auch wenn wir durch Gesetze Verbrechen natürlich nicht komplett verhindern können. In Deutschland haben wir natürlich auch trotz Diebstahlsverbot weiter mit Diebstählen zu tun. Aber Gesetze sind doch auch dazu da, Richtlinien zu geben dafür, wie wir in unserer Gesellschaft leben wollen. Dass die Würde der Frau ohne Wenn und Aber respektiert wird, das wäre für mich so eine Richtlinie.

Das Interview führte Silvia Ochlast.

Frauenhilfsorganisation SOLWODI

Die Frauenhilfsorganisation SOLWODI existiert seit 1985. Das Kürzel steht für SOLidarity with WOmen in DIstress (Solidarität mit Frauen in Not). Die Ordensfrau Lea Ackermann gründete die Organisation zunächst, um damit kenianischen Frauen aus der Elendsprostitution herauszuhelfen. 

Symbolbild Gewalt an Frauen / © Doidam 10 (shutterstock)
Symbolbild Gewalt an Frauen / © Doidam 10 ( shutterstock )
Quelle:
DR