SOLWODI zum geplanten Prostitutionsgesetz

"Das neue Gesetz ist das Mindeste, was man für die Frauen tun kann"

Freier sollen härter bestraft werden können - und Bordelle schärfer kontrolliert.

Kampf gegen Zwangsprostitution (dpa)
Kampf gegen Zwangsprostitution / ( dpa )

Die Große Koalition will ein neues Prostitutionsgesetz beschließen, um die Frauen besser zu schützen. Helga Tauch vom Frauenrechtsverein SOLWODI, im domradio.de-Interview.

domradio.de: Das rot-grüne Prostituiertengesetz von 2002, das bis heute noch gilt, hat Deutschland in den Augen vieler Kritiker zum Bordell Europas gemacht. Andere sprechen vom Paradies für Freier und von einer Vorhölle für Prostituierte. Teilen Sie diese sehr negative Einschätzung?

Tauch: Genau so ist es aus unserer Sicht gekommen. Die Sex-Industrie hat einen unwahrscheinlichen Aufschwung durch diese liberalisierte Gesetzgebung erhalten, denn es sind ja überhaupt keine Regulierungen im Moment da. Jede Frau ab 18 kann, ohne dass sie irgendeine Voraussetzung erfüllen muss, in die Prostitution eingesetzt werden. Sie kann selber entscheiden, aber wir sehen, häufig bei den jüngeren Frauen ab 18, dass Frauen von Schleppern, von Zuhältern, von den so genannten guten Freunden hineingebracht werden und dort genötigt werden zum Sex-Kauf. Und das ist ein Markt, der boomt. Man kann das an allen Orten sehen, wie die Bordelle in die Landschaft sprießen. Es ist insgesamt ein Aufschwung der Sex-Industrie. Wir sehen das mit großer Sorge und sind von daher froh, dass ein erster Schritt angedacht ist.

domradio.de: Diesen großen Handlungsbedarf will die Große Koalition ja jetzt angehen. Schauen wir doch mal auf einzelne Punkte. Bisher war es so, dass im Prinzip jeder X-beliebige in Deutschland ein Bordell aufmachen konnte. Jetzt will die Koalition eine Erlaubnispflicht für Bordelle einführen. Finden Sie das gut?

Tauch: Das ist das Mindeste, was passieren sollte, denn ein vorbestrafter Menschenhändler kann heute ein Bordell betreiben. Es gibt so differenzierte Strukturen, wo wir mafiöse, kriminelle Machenschaften sehen, dass es überfällig ist. Es ist leichter im Moment, ein Bordell zu eröffnen als eine Gastwirtschaft, wo eine Konzessionspflicht eingeholt werden muss.

domradio.de: Flatrate-Sex und Gang-Bang-Parties sollen künftig verboten werden. Das, nehme ich an, dürfte auch in Ihrem Sinne sein, oder?

Tauch: Das ist absolut menschenverachtend, was man sich darunter vorstellen kann. Wir sehen, dass in verschiedenen Regionen das öffentlich, auch in den kostenfreien Blättchen in Nordrhein-Westfalen, ausgeschrieben, beworben wird. Dass also Jugendliche, Kinder sehen, dass das ein legales Angebot ist. Natürlich erleben wir Frauen, die da herausgeholt werden und die dann von ihren Erfahrungen berichten. Eine Gruppe von Männern fällt über sie her, die mit einem billigen Eintrittspreis sich diese Lust einkaufen können. Und was dann von den Mädchen übrigbleibt, ist für uns erschreckend. Die Frauen sind traumatisiert. Es ist das Mindeste, dass solche extremen Geschäftsfelder absolut unterbunden werden.

domradio.de: Außerdem sollen Zwangsprostituierte in Zukunft leichter eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wenn sie in Prozessen gegen Täter aussagen. Auch das ist sicherlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, oder?

Tauch: Wir haben mit Frauen zu tun, die mit Gewalterfahrung, mit posttraumatischen Belastungsstörungen unterwegs sind, die häufig nicht sofort umfänglich eine Aussage treffen können. Wenn die Ermittlung nicht weitergeht gegen Täter, weil die Frau Dinge vergisst, abspaltet, ausblendet, heißt das, dass für die Frau zunächst einmal eine umfangreiche Hilfe passieren muss und dann nicht der Druck da ist: Wenn du keine Aussage machst oder nicht aussagen kannst, dann musst du weg. Das Leid, was ihr hier in Deutschland passiert ist, das sollte entsprechend abgeholt werden, dass sie hier eine Möglichkeit hat, sich zu integrieren und hier bleiben darf.

domradio.de: Abgesehen von den Punkten, die wir jetzt angesprochen haben: haben Sie noch wichtige Aspekte, die Sie sich wünschen, die auf jeden Fall in so ein neues Prostituiertengesetz einfließen müssten aus Ihrer Sicht?

Tauch: Männer fordern Sex auch ohne Kondom ein. Natürlich sind wir für eine Kondompflicht oder eine Bestrafung von Freiern, damit die Frau sagen kann, das ist nicht erlaubt, auch wenn du mich dafür bezahlen willst, ich habe hier eine Grenze, ich will das nicht. Umgekehrt wird im Moment gesagt, dass es nicht zu kontrollieren sei. Man würde die Frauen kriminalisieren. Wir gehen in Richtung nordisches Modell, schwedisches Modell. Wir fordern, dass langfristig bewusstseinsverändernde Maßnahmen dazu führen, dass der Sex-Kauf in Deutschland diskriminiert wird, dass er verboten wird. Das Europäische Parlament hat die Mitgliedsländer aufgefordert, entsprechend zu prüfen, ob das nordische Modell nicht auch Anwendung finden könnte. Wir sind genau da dran. Wir sagen, dieses Geschäftsfeld darf nicht sein. Es entspricht nicht der Würde der Frau, des Mannes. In unserer Gesellschaft passiert im Moment ein Lobbyismus für die Sex-Industrie, dass einem an manchen Stellen, wenn man besonders die Frauen sieht, schlecht wird. Das kann nicht sein. Die Politik muss da viel, viel weiter denken und auch langfristige Konsequenzen ziehen.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.

 

Quelle:
DR