Während ich die Karten beschreibe und das Sternenlicht in alle Himmelsrichtungen weiterschicke, lasse ich eine Karte vor mir liegen. Höre Wind, Wellen und Wasser am Strand hinter mir. Atme tiefer. Stehe wieder auf unserer winzigen Insel vor der irischen Westküste, auf der wir unsere Ferien verbringen.
Für die Mauer, durch die das Licht fällt, haben keltische Christen vor bald 1 500 Jahren kunstvoll Steine geschichtet. Ihr kleines Kloster umfriedet.
Laien haben hier gelebt. Unter unfasslich harten Bedingungen. Wasser musste in Fellen auf die Insel gebracht werden. Vorräte wurden in unterirdischen Gängen aufbewahrt, in die man nur kriechen kann. Und erst das Wetter. Die stürmische See, schon im Sommer so aufgepeitscht, dass lange nicht jeden Tag die Fischkutter auslaufen. Wie hätte also ein Ruderboot im Herbst oder im Winter kommen sollen? Wer hier war, musste mit sich und den anderen auskommen. Wollte so Gott finden.
Die Menschen, die hier in den sogenannten „Bienenhütten“ wohnten, werden immer Mönche genannt, waren aber keine. Es waren Laien, Frauen und Männer. Sie wählten ihre Führung. Hatten keine Priester, keine Kirchen. Wohl kleine Oratorien, kleine Bethäuser. Man musste sich bücken um einzutreten und sich lang ausstrecken, um zu beten.
Viele Stunden habe ich hier gesessen. Die aufgewühlte See vor mir. Habe mir die Boote der Mönche vorgestellt. Ein Bild, das sie sogar zum Kompass ihres Lebens machten: ein Ruderboot. Nussschalen klein. Darin drei Mönche. Aber kein Steuermann. Gott sollte ihr Steuermann sein. Wohin auch immer er das Boot steuerte - wollten sie es annehmen und das Beste daraus machen.
Ich saß. Und wunderte mich. Und staunte. Über so viel Vertrauen. So viel Gottvertrauen. Das Vertrauen der Mönche rührt mich. Fordert mich heraus. Ich habe es sorgfältig eingewickelt, als Urlaubssouvenir mitgebracht.
Das Insellicht auf unserer Karte erinnert mich. An die Mönche. An ihr Vertrauen. An meinen Vorsatz, Vertrauen zu üben.
365 neue Tage breiten sich vor mir aus.
So viel Zeit zum üben.