Unterstützung für die Todesstrafe in den USA nimmt ab

Sorge vor Hinrichtung Unschuldiger

Die Zahl der Hinrichtungen in den USA geht im fünften Jahr in Folge zurück. Die Amerikaner lehnen die Todesstrafe heute mehrheitlich ab. Zum Einstellungswandel trägt vor allem eine Sorge bei.

Autor/in:
Thomas Spang
Mehrheit der US-Amerikaner lehnt Todesstrafe ab / © Paul Buck (dpa)
Mehrheit der US-Amerikaner lehnt Todesstrafe ab / © Paul Buck ( dpa )

Im August erhielt der zum Tode verurteilte Larry Swearingen im Gefängnis von Huntsville im US-Bundesstaat Texas eine tödliche Injektion. "Herr vergib Ihnen. Sie wissen nicht, was sie tun", lauteten seine letzten Worte. Bis zuletzt beteuerte der 48-Jährige seine Unschuld am Tod einer 19-jährigen Studentin. Vergebens. Das Oberste Verfassungsgericht wies das Argument seiner Anwälte zurück, das Todesurteil aus dem Jahr 2000 beruhe auf "falschen und irreführenden Zeugenaussagen".

Swearingen ist der 12. von 22 Delinquenten, die im vergangenen Jahr in den USA hingerichtet wurden. Laut Statistik des Death Penalty Information Center (DPIC) sind das drei Hinrichtungen weniger als im Vorjahr. Auch die Zahl der Todesurteile ging demnach im vergangenen Jahr von 50 auf 33 zurück. Ein Abwärtstrend, der im fünften Jahr in Folge zu beobachten ist.

Statistiken zeigen Abschied von Todesstrafe

Der langsame Abschied von der Höchststrafe wird deutlich, wenn die Statistiken der 1990er Jahre als Vergleich herangezogen werden. Die Zahl der verhängten Todesurteile ist seitdem um 85 Prozent gesunken, die der Hinrichtungen um 75 Prozent.

Zuletzt schaffte auch der Bundesstaat New Hampshire im Mai die Todesstrafe ab. "Wenn Sie von Maine im Norden der Ostküste mit dem Auto losfahren und nach knapp 1.300 Meilen in West Virginia ankommen", so der Leiter des DPIC, Robert Dunham, "dann haben Sie keinen einzigen Bundesstaat durchfahren, der die Todesstrafe noch vollstreckt".

Urteil: Ja, Vollstreckung: Nein

Maßgeblichen Anteil am Einstellungswandel hat der größte US-Staat Kalifornien. Ebenfalls im Mai erließ die demokratische Regierung des Bundesstaats ein formales Moratorium, das die Vollstreckung der Todesstrafe für die derzeit rund 750 Todeskandidaten aussetzt. "Das bedeutet einen riesigen Rückgang in Amerikas Todeszellen", sagt der Rechtsexperte der Duke University in Durham in North Carolina, Brandon Garrett.

In den meisten der 29 Bundesstaaten, die Hinrichtungen noch erlauben, werden sie in der Praxis laut DPIC-Jahresbericht nicht mehr vollstreckt. Im Widerspruch zu dem Abwärtstrend in den Bundesstaaten stand im vergangenen Sommer der Versuch der US-Regierung, das seit 16 Jahren bestehende Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe bei Gefangenen nach Bundesrecht aufzukündigen.

Hoffnung auf komplette Abschaffung

Die US-Katholiken verfolgen die Entwicklung in der Hoffnung, die Todesstrafe bald ganz zu überwinden. Angefangen bei den Gläubigen in den Kirchenbänken bis hin zu den Bischöfen unterstützen die katholischen Christen den «bedingungslosen Lebensschutz in der Hinrichtungsfrage», so die Exekutivdirektorin des Catholic Mobilizing Networks, Krisanne Vaillancourt Murphy.

Im vergangenen Juni passten die US-Bischöfe den entsprechenden Abschnitt im US-Katechismus an die Lehre von Papst Franziskus an, der die Todesstrafe 2018 für unzulässig erklärt hatte. Sie sei ein Angriff auf die Unverletzbarkeit und Würde des Menschen.

Mehrheit der US-Bürger gegen Todesstrafe

Das ist inzwischen auch die Haltung der Mehrheit der US-Amerikaner zur Todesstrafe. Rund 60 Prozent plädieren laut einer aktuellen Gallup-Umfrage für lebenslänglich ohne Bewährung und lehnen die Todesstrafe ab - eine Verschiebung zugunsten der Hinrichtungsgegner erstmals seit rund dreieinhalb Jahrzehnten. Noch 2014 unterstützten nur 45 Prozent der Bevölkerung die lebenslange Haft.

Laut DPIC rückte 2019 die Frage in den Vordergrund, ob Unschuldige zu Justizopfern werden. Dazu hätten auch die Fälle der beiden schwarzen Todeskandidaten Rodney Reed und Curtis Flowers beigetragen, so der Autor des DPIC-Berichts, Robert Dunham. In beiden Fällen hätten rassistische Vorurteile eine Rolle bei der Verurteilung gespielt. Die Amerikaner seien dadurch dafür sensibilisiert, "dass durch Justizfehler auch unschuldige Menschen verurteilt und hingerichtet werden können".


Quelle:
KNA