Sozialbranche wirbt auf Messe um Arbeitskräfte

"Wir streiten um die besten Mitarbeiter"

Vom Fachkräftemangel zum Wachstumsmarkt: Diese Entwicklung erhofft sich die Sozialbranche. Auf einer Fachmesse versucht sie derzeit, eine neue Generation zu begeistern - trotz mancher Herausforderung.

Autor/in:
Christian Wölfel
Erzieherin im Kindergarten / © Uwe Anspach (dpa)
Erzieherin im Kindergarten / © Uwe Anspach ( dpa )

"So ansprechend war soziale Arbeit noch nie." Pia Theresia Franke steht an einem Tisch am Stand des Verbands katholischer Kindertageseinrichtungen in Bayern auf der Nürnberger Fachmesse Consozial. In den Ständern daneben finden sich Broschüren über Gesundheit am Arbeitsplatz. Schlüsselbänder und Kugelschreiber liegen in großen Mengen herum. Junge Frauen und Männer schlendern mit Taschen voller Werbeartikel durch die Gänge der Fachmesse. Sie sind begehrt, wie nicht nur die Geschäftsführerin des Kindergarten-Verbands berichtet. Denn in Sozialbranche herrscht großer Fachkräftemangel.

Franke vertritt mit ihrem Verband die rund 2.800 katholischen Kindertagesstätten in Bayern mit vielen Trägervereinen. Sie ist gelernte Betriebswirtin, auf der Messe als Expertin für Personalentwicklung gefragt. "Wir müssen halt schauen, wie sprechen wir die Generation V an." V wie Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit. Das Medium für die Generation ist das Internet.

Franke erzählt, dass sie mit den einzelnen Trägern oft auf deren Homepage nachschaut, wie viele Klicks Nutzer brauchen, bis sie zu den Stellenanzeigen gelangen. Es sind meist zu viele.

Konkurrenz um die besten Mitarbeiter

Dass der Fachkräftemangel an der Bezahlung liegt, können sich zumindest die kirchlichen Verbände nicht vorstellen. Sie alle zahlen nach dem sogenannten AVR-Tarif, der im oberen Bereich der Gehaltstabellen in der sozialen Arbeit liege. Gerade mit etwas Berufserfahrung seien Beschäftigte hier gut gestellt, betonen die Verantwortlichen auf der Consozial. Auch die Ausbildungszahlen steigen, aber offenbar nicht schnell genug. Franke rechnet vor, dass bis 2020 etwa 200.000 Kita-Fachkräfte in Deutschland aus dem Berufsleben ausscheiden werden.

Ein paar Stände weiter fällt das Wort "Wachstumsmarkt", wenn es um die Beschäftigung im sozialen Bereich geht. Die Rummelsberger Diakonie, eine evangelische Einrichtung, beschäftigte vor 15 Monaten in den etwa 230 Einrichtungen im Freistaat 5.400 Fachkräfte. Heute sind es 300 mehr. Vorstand Karl Schulz würde gerne noch höhere Zahlen vermelden. Doch die Stellen sind schwer zu besetzen. "Wir streiten um die besten Mitarbeiter."

Besonders schwierig hat es die Rummelsberger Diakonie nach eigenen Angaben in der Altenpflege im Süden Bayerns, rund um München bis hin zu den Alpen. Die hohen Lebenshaltungskosten sind ein wichtiger Punkt, wie Vorstand Schulz sagt. Dabei hilft der evangelische Wohlfahrtsverband bei der Wohnungssuche. Außerdem gibt es Zusatzleistungen, etwa Zuschüsse für das Fitnessstudio oder Programme zur Personalentwicklung. Trotzdem: "Es gelingt uns noch nicht so, als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten." Mittlerweile geht der Mangel an Fachkräften so weit, dass die Rummelsberger Diakonie im Ausland, etwa in Serbien, um Fachkräfte wirbt.

Flüchtlingskrise als Chance für die Branche

Da erscheint die Flüchtlingskrise geradezu als Chance. Doch zunächst sorgen gerade unbegleitete minderjährige Flüchtlinge für eine enorme Nachfrage nach Sozialpädagogen und Erziehern. Allein im Bistum Regensburg seien in den vergangenen eineinhalb Jahren 70 Personen für diesen Bereich eingestellt worden, erzählt Michael Eibl, Direktor der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) in der Stadt an der Donau. Probleme bei der Rekrutierung gebe es nicht so sehr in den Städten, dafür aber im ländlichen Bereich. Auf der Consozial veranstaltet die KJF einen Videowettbewerb auf Youtube unter dem Motto "Sozial macht Spaß".

In rund 250 Einrichtungen in vier Diözesen beschäftigt die Jugendfürsorge mehr als 12.000 Menschen. Auch hier geht die Personalgewinnung über zusätzliche Leistungen, etwa bei der Rente. In Zukunft werde man dringend Flüchtlinge brauchen, die entsprechend qualifiziert bei dem katholischen Wohlfahrtsverband einsteigen. Dabei spielt die Religion schon heute keine Rolle mehr, wie der Augsburger KJF-Marketingmann Winfried Karg erzählt. Sogar eine muslimische Frauenärztin gebe es schon in einem Krankenhaus, eine Chance: Denn auch die Patienten werden sich verändern.


Quelle:
KNA