DOMRADIO.DE: Der Flughafen Düsseldorf erwartet in den kommenden zwei Wochen Osterferien rund eine Million Passagiere, allein an diesem Wochenende wohl rund 200.000 Menschen. Wie bereiten Sie sich als ökumenisches Seelsorge-Team auf diesen Ansturm vor?
Ute Clevers (Sozialpädagogin im Team der Flughafenseelsorge am Düsseldorfer Flughafen): Wir bereiten uns so vor, wie wir uns immer zum Sommerflugplan vorbereiten. Es sind mehr Leute im Dienst. Wir haben uns erkundigt, welche neuen Airlines und Ziele es gibt, um dieses System Flughafen nochmal neu zu verstehen. Damit wir dann Auskunft geben können oder im Fall der Fälle, wenn etwas schiefläuft, beruhigend in die Situation gehen und den Familien Auskunft geben können.
DOMRADIO.DE: Die Seelsorge am Düsseldorfer Airport hat einen eigenen Schalter, da kann man Sie besuchen und ansprechen. Mit welchen Anliegen kommen die Menschen zu Ihnen?
Clevers: Der Großteil ist eine Orientierungsfrage. Man ist ja nicht jede Woche am Flughafen. Wo ist mein Gate? Wie funktioniert das? Wie funktioniert es mit diesen Maschinen und dem Koffer? Habe ich auch alles richtig gemacht? Da können wir Orientierung geben.
Meistens bieten wir auch Begleitung. Wir gehen zum Beispiel mit zum Gate, wenn wir merken, dass jemand sehr aufgeregt ist. Wir geben die Möglichkeit, zu reden, den Stress loszuwerden und zu erzählen: wohin bin ich unterwegs, will ich wirklich in den Urlaub oder will ich vielleicht die Familie besuchen? Erwartet mich da irgendetwas, das mich unruhig werden lässt?
DOMRADIO.DE: Viele haben ein mulmiges Gefühl, wenn es dann wirklich in den Flieger geht. Stichwort Flugangst. Da sind Sie als Mutmacher gefragt. Wie gehen Sie da vor?
Clevers: Meistens ist es keine Flugangst, sondern die Angst davor, etwas nicht mehr selber regeln zu können. Die Angst vor der Ohnmacht. Man gibt sich in die Hände von einer Crew und einem Piloten und in diese Maschine, von der man immer noch nicht so ganz versteht, warum so ein schweres Teil überhaupt fliegt.
Da versuchen wir beruhigend einzuwirken. Wir erklären oder ermöglichen den Kontakt zu der Crew, wenn es wirklich schwerwiegend ist. Ansonsten erinnern wir einfach an Situationen, die schon gemeistert worden sind, damit man sich an dem Positiven festhalten kann: Was ist mir schon gelungen? Dann schaffe ich diese Herausforderung auch.
DOMRADIO.DE: Wenn Flüge gestrichen werden oder die Koffer verloren gehen, liegen die Nerven schnell blank. Nimmt aggressives Verhalten deshalb zu? Stellen Sie das am Flughafen fest?
Clevers: Das ist ein großes Thema seit zwei, drei Jahren. Wir bieten deswegen für die Mitarbeitenden aller Firmen Deeskalationstrainings an, um solche Situationen besser behandeln zu können. Bei allen liegen die Nerven schnell blank, sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Passagieren.
Hier vermittelnd oder moderierend tätig werden zu können, ist eine der Hauptaufgaben. Aber jetzt sind erstmal alle froh, dass der Sommerflugplan losgeht und wieder Leben in die Bude kommt. Das ist im Winterflugplan wesentlich ruhiger.
DOMRADIO.DE: Sie arbeiten schon seit einigen Jahren am Flughafen. Gibt es Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Clevers: Da gibt es ganz viele Geschichten. Wenn man sich auf die Reise begibt, ist das mit großer Vorbereitung verbunden. Man denkt an dieses und jenes. Wenn dann der Kinderausweis nur noch zwei Monate gültig ist, aber das Land, wo man hinfliegen will, darum bittet, dass es drei Monate gültig ist, ist es wirklich schwierig, da eine Lösung zu finden.
Da erlebe ich immer wieder, dass die Bundespolizei lösungsorientiert ist und alle Wege beschreitet, damit das Kind oder die Familie doch fliegen kann. Sie machen zum Beispiel eine Sonderöffnungszeit, das ist schon häufiger passiert. Ich erlebe immer wieder ein gutes Miteinander mit der Bundespolizei. Sie hoffen, es so hinzukriegen, dass es rechtlich sicher ist und die Familie trotzdem in den Urlaub fliegen kann.
DOMRADIO.DE: Am 11. April jährt sich die Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen zum 29. Mal. Am 11. April 1996 starben 17 Menschen, über 80 wurden zum Teil schwer verletzt. Wie erinnern Sie an diese Katastrophe?
Clevers: Wie jedes Jahr werden wir ab 15 Uhr im Gedenkraum sein und uns an diese Menschen erinnern. Es werden Angehörige kommen sowie der ehemalige Geschäftsführer und die aktuelle Geschäftsführung des Flughafens. Das ist eine Ewigkeitsaufgabe, wir treffen uns jedes Jahr im Gedenkraum und halten kurz inne, sprechen ein Gebet, sind miteinander in der Erinnerung, was damals passiert ist. Diejenigen, die kommen, kommen jedes Jahr.
Danach unterhalten wir uns, wie das Leben weitergegangen ist. Was war in dem Jahr, in dem man sich nicht gesehen hat? Das ist immer eine sehr bewegende Situation und ein bewegender Kontakt miteinander, dass man sich in die Augen schaut und sagt: Das Unglück ist passiert und wir übernehmen die Verantwortung, wir bleiben in Kontakt.
Das Interview führte Carsten Döpp.