Sozialpfarrer Kossen und Arzt-Bruder klagen Fleischindustrie an

Ein Neuanlauf der Politik notwendig

Die Arbeitsbedingungen in großen Schlachthöfen kritisiert der katholische Sozialpfarrer Peter Kossen. "Menschen werden benutzt, verbraucht, verschlissen und dann entsorgt", so der Prälat. Hinzu komme ein unmenschlicher Druck der Arbeitgeber. 

In der Fleischindustrie arbeiten viele Werkvertragsarbeiter (dpa)
In der Fleischindustrie arbeiten viele Werkvertragsarbeiter / ( dpa )

Der katholische Sozialpfarrer Peter Kossen und sein Bruder Florian Kossen, Arzt im Landkreis Vechta, klagen erneut menschenunwürdige Verhältnisse in der Fleischindustrie an. Die hier beschäftigten Arbeitsmigranten vornehmlich aus Rumänien, Bulgarien und Polen würden "benutzt, verbraucht, verschlissen und dann entsorgt", heißt es in einer am Freitag in Lengerich verbreiteten Stellungnahme der beiden. Von der Politik fordern sie die Gründung einer Aufsichtsbehörde für die Branche.

Keine Möglichkeit zur Regeneration

Viele Leiharbeiter auf Großschlachthöfen in Wildeshausen, Alhorn und Lohne arbeiteten sechs Tage die Woche zwölf Stunden am Tag und hätten keine Möglichkeit zur Regeneration, schildern Pfarrer und Arzt. Hinzu kämen mangelhafte hygienische Zustände in den Unterkünften. Die Folge seien Überlastungsschäden, Burnout und hartnäckige Infekte. "Aber auch eine totale körperliche Erschöpfung, wie ich sie in meinen 20 Jahren ärztlicher Tätigkeit vorher selten gesehen habe", berichtet Florian Kossen aus seiner Praxis.

Hinzu komme ein unmenschlicher Druck der Arbeitgeber, hieß es. Selbst Verletzte ließen sich nicht krankschreiben, weil dann die sofortige Kündigung drohe. "Der Nachschub von Arbeitskräften geht den Subunternehmern offensichtlich nicht aus. Dafür sorgt ein florierender Menschenhandel", so Peter Kossen. Die Fleischindustrie behandele Arbeitsmigranten wie Maschinen, die man bei externen Dienstleistern anmiete, benutze und nach Verschleiß austausche.

Auswirkungen auf Familie und Kinder

Zu den unhaltbaren Gesundheitsverhältnissen trügen auch die Unterbringungen für die Arbeiter bei, so die Kossens. Trotz jahrelanger Proteste und Öffentlichkeitsarbeit seien dies nach wie vor oft "Rattenlöcher, die zu Wuchermieten mit Werkvertragsarbeitern vollgestopft werden", so Peter Kossen. "Erzieherinnen erzählen mir von verstörten, verängstigten und geschwächten Kindergartenkindern, die in solchen Verhältnissen leben und aufwachsen. Manche verschlafen fast den ganzen Kindergartentag, weil sie nachts in den Unterkünften Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch und auch Prostitution miterleben."

Es brauche einen Neuanlauf der Politik, um die Branche zu zwingen, "für die eigenen Leute Verantwortung zu übernehmen und sich nicht zu verstecken hinter dubiosen Subunternehmen und Leiharbeitsfirmen". Selbstverpflichtungserklärungen der Fleischindustrie hätten allenfalls den Sklaventreibern Luft und Zeit verschafft, ihr menschenverachtendes Geschäft unbehelligt weiter zu betreiben. "Wenn der Rechtsstaat hier nicht völlig ad absurdum geführt werden soll, braucht es eine Behörde, die Recht und Gesetz durchsetzen kann."


Peter Kossen / © Ingo Wagner (dpa)
Peter Kossen / © Ingo Wagner ( dpa )
Quelle:
KNA