Sozialreport: Aufschwung geht an Älteren in Ostdeutschland vorbei

Alt und arm im Osten

Der konjunkturelle Aufschwung geht an älteren Menschen in Ostdeutschland offenbar weitgehend vorbei. Die 50- bis 70-Jährigen seien in den neuen Bundesländern inzwischen "jene Jahrgänge, die am meisten von Einschnitten und Einschränkungen sowie vom Sozialabbau betroffen sind", sagte der Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler, bei der Vorstellung des "Sozialreports 50+" am Donnerstag in Berlin. Er fügte hinzu: "2007 lebten bereits elf Prozent der 50-bis 60-Jährigen in Armut und weitere sechs Prozent sind von Armut bedroht."

 (DR)

Gunnar Winkler wirkte besorgt. In den neuen Bundesländern sei eine "zunehmende Altersarmut erkennbar", warnte der Präsident des Bundesverbandes der Volkssolidarität, als er am Donnerstag in Berlin den "Sozialreport 50+" vorstellte. In der Studie werden die Angaben von rund 1000 Ostdeutschen ab 50 Jahren ausgewertet. Sie wurden zu ihrer Lebenssituation befragt. Die Antworten zeigen, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei den älteren Leuten im Osten offenbar nicht angekommen ist.

Die 50- bis 70-Jährigen im Osten seien inzwischen "am meisten von Einschnitten und Einschränkungen sowie vom Sozialabbau betroffen", betonte Winkler. "2007 lebten bereits elf Prozent der 50-bis 60-Jährigen in Armut und weitere sechs Prozent sind von Armut bedroht". Die Einkommensangleichung sei "zum Erliegen gekommen", konstatierte der Verbandschef. Zwar gebe es einen "leicht positiven Trend" bei der Grundzufriedenheit der Menschen. Die Werte lägen jedoch immer noch unter jenen aus den Jahren davor.

Der Studie zufolge bewerten nur 30 Prozent der Befragten ihre wirtschaftliche Lage positiv, 48 Prozent als teils gut und teils schlecht sowie 21 Prozent negativ. Der Zukunft blicken die meisten Älteren mit Sorge entgegen. Nur zwei Prozent erwarten Verbesserungen, 49 Prozent Verschlechterungen. Die Zufriedenheit hängt stark davon ab, ob die Menschen in der Stadt oder auf dem Land wohnen sowie davon, ob sie noch arbeiten. Die Unterschiede nehmen zu.

Im Westen schätzt die Generation 50 plus die Lage "nicht ganz so gravierend" ein, berichtete Hanna Haupt vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg, das den Sozialbericht erstellte. In den alten Ländern sei die Altersabsicherung anders aufgebaut, unter anderem mit einem höheren Anteil an Betriebsrenten. Die Menschen hätten zudem meist mehr Vermögen angespart, während Ost-Rentner in langen Phasen von Arbeitslosigkeit ihren Notgroschen oft schon aufgebraucht hätten. Dies ermögliche den West-Senioren eine andere Art von "Lebenssouveränität und Gestaltungsspielraum".

Der Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität, Bernd Niederland, warnte vor den Auswirkungen der Unzufriedenheit. Diese beeinflusse die "geistige und politische Orientierung der Menschen". Senioren-Freizeiteinrichtungen wrüden aus Geldmangel geschlossen. Dies bedrohe nicht nur die Lebensqualität der Menschen. Vereinsamung und Ausgrenzung fördere auch rechtsextremes Gedankengut, betonte Niederland. Er mahnte, möglichst viele soziokulturelle Angebote zu erhalten: "Jede geschlossene Begegnungsstätte ist ein Verlust an Sozialschutzfunktion für die Menschen."