Sozialtarife für Einkommensschwache

Damit das Licht nicht ausgeht

Einen Sozialtarif für Geringverdiener - angesichts steigender Strom- und Gaspreise schon seit Wochen im Gespräch. Am Wochenende wurde die Idee von Peer Steinbrück wieder ins Spiel gebracht. In Bayern ist sie schon lange Realität.

Autor/in:
Rudolf Stumberger
 (DR)

Für Rosemarie R. aus dem bayerischen Neumarkt St. Veit käme all das zu spät. Die 50-jährige Arbeitslosengeld-II-Empfängerin konnte die Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Monatelang lebte sie in einem maroden Haus ohne elektrische Energie, verbrannte Müll, um zu heizen. Als Lichtquelle stellte die ehemalige Kindergärtnerin Kerzen auf. Sie starb, als die Kerzenflamme das Haus in Brand setzte.

Weniger dramatisch verlief die Stromsperre bei Melanie S. Der dreifachen Mutter aus dem unterfränkischen Dettelbach hängten die Techniker der Stadtwerke im Dezember vergangenen Jahres einen Stromzähler mit Münzeinwurf in den Flur. Die Arbeitslosengeld-II-Bezieherin kochte ihr Essen auf einem alten Herd, der Unmengen Strom fraß. Ein neuer Herd müsse vom Regelsatz abgespart werden, befand die Arbeitsagentur.

Als die Stromschulden weiter wuchsen, drohten die Stadtwerke, entweder den Strom zu sperren oder einen Münzapparat zu installieren. Der aber lief mit alten Fünf-Mark-Münzen. So musste die gelernte Friseurin zur Stadtkasse pilgern, um Euro umzutauschen.

Sozialtarif in München "nicht sinnvoll"
In München sollen im ersten Halbjahr 2009 Kunden, denen schon mehrfach wegen Schulden der Strom abgestellt wurde, eine Chipkarte erhalten. Sie ist mit einem Geldbetrag aufladbar. Ist das Kartenkonto leer, wird es dunkel.

Dass in Hartz-IV-Haushalten angesichts steigender Energiepreise das Licht ausgeht, wollte die Linke im Münchner Stadtrat mit einem Antrag auf Einführung eines Sozialtarifes verhindern. Doch die Stadträte der anderen Fraktionen stimmten dagegen und folgten der Empfehlung des Sozialreferats. Demnach sei ein Sozialtarif in München "nicht sinnvoll".

"Flickwerk" von Vergünstigungen
Denn obwohl "die Preissteigerungen zu einem Problem geworden sind", wie Monika Niedermayer, Sprecherin des Münchner Sozialreferats, sagt, habe es angesichts allgemein steigender Lebenshaltungskosten keinen Sinn, zu niedrig angesetzte Regelleistungen bei Hartz IV durch ein "Flickwerk" von Vergünstigungen auszugleichen. Vielmehr sollten die Leistungen für Langzeitarbeitslose von derzeit 347 Euro auf mindestens 371 Euro und mehr angehoben werden, sagt sie.

Außerdem habe sich in München bewährt, dass sich bei drohender Stromsperre Sozialbürgerhäuser oder Sozialverbände einschalteten und zum Beispiel mit den Stromanbietern Ratenzahlungen und Direktabbuchung vereinbarten. Monatlich werden so an die 23 Fälle bearbeitet. Die geplante Chipkartenlösung habe auch die erzieherische Wirkung, dass "der Kunde kontinuierlich den Rückgang seines Stromguthabens an seinem Zähler erkennen und somit eigenverantwortlich sein Verbraucherverhalten steuern kann". Also zum Beispiel zwischen "Tagesschau" oder warmen Spaghetti wählen.

Sozialtarife seit Herbst 2006
Die Forderung nach Sozialtarifen ist seit Herbst 2006 in Bayern bereits umgesetzt. So gewährt der Energiekonzern E.ON in Zusammenarbeit mit Caritas und Diakonie hilfebedürftigen Kunden einen Sozialrabatt. Wer von der Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (GEZ) befreit ist, erhält monatlich neun Euro Rabatt auf seine Stromrechnung.

Rund 7.000 bayerische E.ON-Kunden bezogen bislang den günstigen Strom. Angeboten wird auch eine Energieberatung, um Kosten langfristig zu senken. Anfang des Jahres hat der Energiekonzern den Rabatt für Einkommensschwache nun bundesweit ausgedehnt und stellt ein Kontingent für 32.000 bedürftige Stromkunden zur Verfügung.