Trommler auf Balkonen und Heiligenbilder auf Spielzeugautos

Spaniens ungewöhnlichste Karwoche aller Zeiten

Kuriose Initiativen, keine Gnade und eine Karprozession im September: nur einige Schlagworte für die "Heilige Woche", die Spanien alljährlich in den Ausnahmezustand versetzt. Doch diesmal ist dieser Zustand ein anderer.

Musik vom Balkon aus während der Corona-Krise, hier in Spanien / © Alvaro Barrientos (dpa)
Musik vom Balkon aus während der Corona-Krise, hier in Spanien / © Alvaro Barrientos ( dpa )

Die Büßer der Bruderschaften kommen in Gewändern und spitzen Kapuzen daher. Auf ihren Schultern lasten tonnenschwere Aufbauten mit Heiligenskulpturen, die sie stundenlang voranschleppen. Zwischen Palm- und Ostersonntag sind auf Spaniens Straßen Hunderttausende unterwegs, gesäumt von Zuschauermassen - normalerweise! Selbst während des Bürgerkriegs (1936-1939) setzten sich damals Prozessionen in Gang. Doch Spaniens Karwoche 2020 ist durch Corona-Pandemie und Ausgangssperre die ungewöhnlichste aller Zeiten.

Die Krise hat viele Menschen dazu bewegt, Hausaltäre zu schmücken, Prozessionen ins Innere anzugehen. Üblich sind, wie andernorts, Streaming-Dienste von Messen, und über YouTube und TV-Kanäle flimmern Prozessionskonserven vergangener Jahre. Nur ein magerer Ersatz. So bringen sich manche Gläubige - den Umständen der begrenzten Möglichkeiten zum Trotz - aktiv und fantasiereich ein.

Heilige auf Spielzeugautos

In manchen Straßen setzen sich plötzlich Aufbauten mit Heiligenbildern in Bewegung: Miniaturen aus Pappe, montiert auf ferngesteuerte Spielzeugautos. Andere Leute ziehen Heiligenbilder aus Papier an Schnüren über ihre Balkone. In den Orten Hellin und Calanda, die sonst für exzessive Trommelparaden bekannt sind, trommeln Bruderschaftsmitglieder auf Balkonen und durchbrechen die gespenstische Stille in den Straßen. Vereinzelt erklingen auch inbrünstige "Saeta"-Gesänge, typisch für die Karwoche speziell in Andalusien.

Über die Grenzen der Gesetze hinaus trieb es indes ein Grüppchen in der Stadt Merida. Neun Leute wagten sich für eine Kurzprozession hinaus und stellten ihre Aktion als Video ins Netz. Da dürfte das Geltungsbedürfnis über religiöser Inbrunst gestanden haben. Das Resultat: eine Strafanzeige der Polizei. Gesichtet wurde auch ein Gassigänger in österlicher Festtracht. Da er aber allein mit dem Hund unterwegs war, hielt sich das Ganze in legalem Rahmen.

Keine Gnade ohne Prozession

Anderweitige Kartraditionen fielen ebenfalls aus. In Malaga und Granada ist es beim Vorbeizug gewisser Prozessionen üblich, je einen Strafgefangenen zu begnadigen. Dem hat die Politik einen Riegel vorgeschoben: keine Gnade ohne Prozession! In der galicischen Stadt Ferrol wurde die Karprozession der Bruderschaft La Merced gar auf September verschoben. Das mag frei von Logik sein - nährt aber irgendwie die Hoffnung auf ein Ende der Krise.


Quelle:
KNA