SPD beschließt Aktionsplan gegen Kinderarmut - Kritik von Verfassungsrechtler

Eine Chance für alle Kinder

Das SPD-Präsidium hat einen zehn Punkte umfassenden Aktionsplan gegen Kinderarmut beschlossen. Deutschland sei eines der reichsten Länder der Erde und der Wohlstand noch nie so groß gewesen wie heute. Mit Sorge müsse jedoch festgestellt werden, "dass die Chancen eines Kindes auf Bildung, gesunde Entwicklung, Teilhabe und Selbstbestimmung immer noch stark von der sozialen Herkunft abhängen", teilte die Partei am Montag in Berlin mit. Das wolle die SPD ändern. Das Ziel seien gleiche und gute Lebensbedingungen für alle Kinder.

 (DR)

Mit den zehn "Handlungsansätzen" verpflichte sich die SPD, auf allen staatlichen Ebenen konkrete Schritte zur Vermeidung von Kinderarmut zu unternehmen. Generalsekretär Hubertus Heil erklärte im Anschluss, Teil des Konzepts sei auch die Angleichung von Kindergeld und steuerlichen Kinderfreibeträgen.

Betreuung, Kindergeld und kostenloses Mittagessen
Dieser Familienleistungsausgleich wird von vielen in der SPD als ungerecht empfunden, weil er dem Anspruch "Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein" nicht entspreche.  Es könne nicht sein, dass Familien mit niedrigem Einkommen eine geringere Entlastung bekämen als Gutverdiener, erläutert der Generalsekretär. Nach den Vorstellungen der SPD soll der Kinderfreibetrag sich künftig nicht mehr prozentual auf die steuerliche Entlastung auswirken. Vielmehr sollten Eltern vom Finanzamt einen "Fixbetrag" erstattet bekommen, der für alle gleich hoch ist.

Zur Verbesserung der Betreuungsqualität wollen SPD-regierte Länder die Bundesmittel für die Ganztagsbetreuung schnell und komplett an die Kommunen weiterreichen und den eigenen Länderanteil aufstocken. Eingesparte Gelder wegen sinkender Kinderzahlen sollen in den qualitativen Ausbau fließen. Die SPD strebt an, dass ein Erzieher für höchstens vier Kinder unter drei Jahren und für maximal acht Kinder im Kita-Bereich zuständig ist. Der Kita-Besuch soll aus Sicht der SPD schrittweise gebührenfrei werden, ein erster Schritt soll die soziale Staffelung der Gebühren sein.  

Die SPD strebt außerdem an, in den Kommunen, in denen sie politisch Verantwortung trägt, allen Kindern ein Mittagessen zur Verfügung zu stellen. Für Kinder aus sozial schwachen Familien soll dies zunächst ermäßigt und perspektivisch kostenlos sein.

Weiter will die Partei solche Familien, "die durch besondere Risiken belastet sind", frühzeitig unterstützen. Dazu sollen die Jugendämter zu Dienstleistern weiterentwickelt werden. Ferner strebt die Partei an, in den Kommunen allen Kindern ein gesundes Mittagessen zur Verfügung zu stellen. Die Kindertagesstätten sollen außerdem zu Eltern-Kind-Zentren ausgebaut werden. Entscheidend sei hier die Einbeziehung der Eltern, hieß es.

Verfassungsrechtler kritisiert SPD-Pläne
Der Erfurter Verfassungsrechtler Christian Seiler hat die SPD-Pläne zur Umgestaltung des Kinderfreibetrags zugunsten von Geringverdienern als "intransparent und unsystematisch" kritisiert. Es sei ein logischer Fehler, den Kinderfreibetrag mit der Sozialleistung Kindergeld zu vergleichen, da hier eine Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Systemen hergestellt werde.

Der Kinderfreibetrag sei keine Leistung an Familien, mangels Steueranspruch des Staates auch keine steuerliche Entlastung, sondern lediglich eine Nicht-Belastung einer nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit, sagte der Verfassungs- und Steuerrechtler an der Universität Erfurt der "Leipziger Volkszeitung"

Laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebiete es die Würde eines jeden Menschen, dass diejenigen Bestandteile des Einkommens, die der Existenzsicherung dienten, keiner Besteuerung unterliegen dürften, betonte er. "Folglich ist es irreführend, diese Nicht-Leistung am individuellen Steuersatz zu messen und hieraus zu folgern, reiche Eltern würden bevorzugt", erläuterte Seiler. Dies wäre ebenso fehlerhaft, wie die hypothetische Argumentation, jeder Arbeitslose erhalte eine Leistung in Höhe der nicht erhobenen Einkommensteuer.