SPD-Führung einigt sich bei Bahnreform - Sanfter Einstieg in die Privatisierung

Machtfrage oder Sachfrage?

Die SPD-Spitze hat sich nach Angaben von Parteichef Kurt Beck beim Thema Bahnreform auf eine gemeinsame Linie verständigt. "Das ist ein großer Fortschritt", sagte Beck in der Nacht. Zum Inhalt des Kompromissvorschlages äußerte er sich nicht. Vor allem Parteilinke hatten Vorbehalte gegen eine zu weitreichende Privatisierung geäußert. Sie fürchten Streckenstilllegungen im Nahverkehr. Ein Verbleib des Nahverkehrs im Eigentum des Bundes stieß allerdings bei der Union, wie auch bei Verkehrsexperten der SPD auf Ablehnung.

 (DR)

Wie die Nachrichtenagentur ddp aus SPD-Kreisen erfuhr, hat Beck eine neue Variante des sogenannten Holding-Modells von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ins Spiel gebracht. Das rund 34 000 Kilometer lange Netz und die Bahnhöfe sollen danach vollständig beim Bund bleiben. Von den Personen- und Güterverkehrssparten bliebe ebenfalls die Mehrheit beim Bund. Statt wie - bislang geplant - maximal 49,9 Prozent sollen hier zunächst nur maximal 24,9 Prozent privatisiert werden.

Sowohl Teile der SPD-Linken als auch der Union signalisierten am Montag Kompromissbereitschaft. "Über einen solchen Einstieg kann man reden und kann sich dann anschauen, wie bewährt sich das Ganze", sagte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich (CSU) am Montag im Deutschlandfunk. Das sogenannte Holding-Modell - das die Union für "gut und richtig" halte - bleibe in seiner Grundstruktur erhalten. Vielleicht seien die Skeptiker dann in einigen Jahren für weitere Privatisierungen offen.

Machtfrage?
Beck bezeichnete es als unsinnig, die Debatte über die Bahnreform als Flügelkampf darzustellen. Es gehe um eine "schwierige inhaltliche Frage", und nicht um "eine hanebüchene Einordnung rechts, links, oben, unten, vorne, hinten". Am Montag würden die SPD-interne Arbeitsgruppe Bahn zur Bahnreform und das Parteipräsidium noch einmal beraten.

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler stellte ebenfalls klar, dass es nicht um eine Machtfrage gegangen sei. Stiegler sagte, es habe eine sachliche, gute Diskussion stattgefunden. Bei dem gefundenen Kompromiss könne auch die Union mitmachen, sagte der SPD-Politiker. Er verwies allerdings darauf, dass es auch bei der Union eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansichten zur Bahnreform gebe.

Die Führungsfrage stellte sich für Beck, der die Bahn-Privatisierung zur Chefsache gemacht hatte, allerdings sehr wohl. Sein Vorschlag, den Nahverkehr aus der Privatisierung herauszuhalten, war schließlich nicht nur von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgelehnt worden, sondern in der eigenen Partei umstritten.

Es war zudem nicht das erste Mal, dass Beck mit erheblichen Widerständen in der SPD zu kämpfen hatte. Bei der Verlängerung des Arbeitslosengeld I im vergangenen Jahr hatte Beck letztlich zwar die Partei hinter sich gebracht, aber den damaligen Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) brüskiert. Schlecht vorbereitet hatte Beck zudem in der Partei den Schwenk, den SPD-Landesverbänden freie Hand im Umgang mit der Linkspartei zu lassen. Die Folge sind aktuell desaströse Umfragewerte für Beck. Selbst SPD-Anhänger würden lieber Merkel zur Kanzlerin wählen als ihren Parteivorsitzenden.

Drei Vorschläge auf dem Tisch
Bei der SPD waren zuletzt drei Modelle im Gespräch. Das sogenannte Holding-Modell von Finanzminister Peer Steinbrück sieht zunächst die Umwandlung der Bahn in eine staatseigene Holding vor. Unter diesem Dach soll es eine staatseigene Netz AG, der das Schienennetz und die Bahnhöfe gehören, und eine Betriebsgesellschaft für den Nah- und Fernverkehr sowie für die Logistiksparte geben. Nur an dieser zweiten Tochter sollen sich demnach private Unternehmen mit maximal 49,9 Prozent beteiligen dürfen.

Das Gegenmodell des SPD-Linken Hermann Scheer sieht vor, lediglich am Schienengüterverkehr und an der Spedition Schenker Investoren mit maximal 49,9 Prozent zu beteiligen.

Nach einer weiteren Variante soll der Personennahverkehr in eine dritte Gesellschaft unter dem Dach der Holding ausgegliedert werden, die wie die Netz AG vollständig beim Bund verbleibt. Dieser Vorschlg stammt von Kurt Beck. Der Parteichef wolle damit Befürchtungen in der Partei entgegenkommen, im Nahverkehr würden nach einer Privatisierung unrentable Strecken geschlossen.